Momentan nimmt der Abolitionismus in Deutschland Fahrt auf. Immer mehr Menschen fordern in Sachen Prostitutionsgesetzgebung das Nordische Modell.
Das freut mich als Exprostituierte und Aktivistin für Frauenrechte wie Bolle.
Aber immer, wenn gerade eine Welle kommt, die die abolitionistische Bewegung größer macht, spült sie auch Menschen zu uns, die nicht verstehen, was Abolitionismus ist, sondern die einfach nur „gegen Prostitution“ sind.
Es ist wichtig, dass deutlich ist: Abolitionismus bedeutet, gegen Prostitution vorzugehen, aber niemals gegen Prostituierte.
Gerade in den letzten Tagen bekomme ich wieder massiv widerliche Kommentare. Ich stelle deswegen hier nochmal klar:
Abolitionismus bedeutet nicht:
- Frauen in der Prostitution darüber zu belehren, dass das, was sie tun, ihnen schadet. Danke, das wissen wir selbst.
- Frauen in der Prostitution tolle Ratschläge á la „mach doch was anderes“ zu geben. Danke, wenn wir es könnten, würden wir es tun.
- Frauen in der Prostitution dafür verantwortlich zu machen, dass es Prostitution gibt. Prostitution gibt es, weil es Klassismus, Sexismus, Rassismus und vor allem eine NACHFRAGE dafür gibt.
- Frauen in der Prostitution darüber zu belehren, was das beste für sie ist. Wir sind keine kleinen, dummen Frauen mit zu traumatisierten Hirnen, als das wir nicht selber denken könnten.
- Frauen in der Prostitution zu beschämen, zu beschuldigen, als „widerlich“, „ekelhaft“ oder „zu faul zum arbeiten“ oder „geldgeil“ zu bezeichnen.
- Frauen in der Prostitution zu unterstellen, sie würden das „freiwillig“ machen. Zwar sprechen einige von uns darüber, welche Gründe es für ihren Einstieg in die Prostitution gab, aber wir schulden euch keine Erklärung, und es gilt auch nicht die Formel „keine Erklärung = Freiwillige, die es liebt, die Beine breit zu machen“. Wir schulden euch überhaupt nichts, keine Erklärung, keine Rechtfertigung, nichts.
- Frauen in der Prostitution mit einem Prostitutionsverbot zu belegen, damit sie „vielleicht mal verstehen, dass sie ja auch was anderes machen können“.
- Frauen in der Prostitution nicht ernstzunehmen, zu belehren, zu beratschlagen, zu bevormunden, zu entmündigen oder generell für ein bisschen blöde zu halten.
Abolitionismus bedeutet:
- Anzuerkennen, dass Prostitution existiert, weil eine männliche Nachfrage danach existiert. Wo kein Käufer, da auch kein Angebot.
- Anzuerkennen, dass Frauen in der Prostitution diese manchmal als letzte Option sehen und ergreifen.
- Anzuerkennen, dass Prostitution ein unfassbar schiefes, patriarchales Machtverhältnis ist, das in Richtung Freier tendiert, und zwar eindeutig.
- Anzuerkennen, dass das einzige, was wir kritisieren, das Machtverhältnis, das System Prostitution und das Verhalten von Sexkäufern sein darf, aber NIEMALS die Entscheidung der prostituierten Frau. EGAL OB DIE UNS PASST ODER NICHT.
Abolitionismus bedeutet, für die Befreiung von Frauen zu kämpfen.
Niemand hat das Recht, Frauen dafür zu verurteilen, wie sie sich durchs Leben schlagen, wenn dieses Leben bis zum ersticken von Patriarchat angefüllt ist.
Feministinnen kritisieren nicht Frauen dafür, wie sie versuchen, im Patriarchat zu überleben.
Sie kritisieren das Patriarchat.
Und nur das.
Abolitionismus bedeutet, das Nordische Modell zu wollen. Dieses wurde in Schweden nach jahrzehntelanger Befragung von Betroffenen entwickelt.
Das Nordische Modell beinhaltet:
- Das unabdingbare Verständnis dafür, dass Prostitution Gewalt gegen Frauen ist
- Eine Freierbestrafung
- Aufklärung über Prostitution bereits ab der Grundschule
- Eine völlige Entkriminalisierung / Straffreiheit von Frauen in der Prostitution
- Genügend Ausstiegsplätze
Hört auf, mir Nachrichten zu schreiben wie „aber vielleicht ist ein Prostitutionsverbot ganz gut, dann verstehen die Prostituierten vielleicht, dass sie doch eigentlich auch ganz einfach was anderes machen könnten.“ Prostituierte sind nicht blöde, wir haben Gründe für unser Verhalten. Hört auf, mit „andere machen auch was anderes, es gibt genügend Jobs“ zu kommen oder mit „das ist doch eine deutsche Studentin, da ist das doch freiwillig, nicht wie bei den rumänischen Zwangsprostituierten“. Undsoweiterundsoweiter.
Ihr seid hier richtig, wenn ihr Aufklärung über Prostitution wollt.
Ihr seid hier falsch, wenn ihr einfach mal aus einer gutbürgerlichen Manier nach unten herab die Hand reichen wollt, um einen Ratschlag zu geben, der in Wirklichkeit ein Schlag ist.
Wenn Du gegen Prostitution bist, weil Du Huren verachtest, dann kannst Du hier bitte weggehen. Du bist dann in den Freierforen besser aufgehoben. Die denken genau wie Du. Da gehörst Du hin. Niemand in der abolitionistischen Bewegung wird Dich vermissen.
Abolitionismus bedeutet nicht nur, gegen Prostitution zu sein.
ABOLITIONISMUS BEDEUTET, SOLIDARISCH MIT FRAUEN IN DER PROSTITUTION ZU SEIN.