Die richtigen Fragen, oder: Plädoyer für einen Perspektivwechsel

    Als Exprostituierte und Aktivistin für Frauen- und Mädchenrechte kriege ich ziemlich viele blöde Nachrichten.
    In vielen geht es darum, mich zu beschimpfen.
    Es werden vor allem Fragen gestellt, die eigentlich Vorwürfe sind.

    “Ja, aber warum warst Du denn anschaffen? Niemand muss in Deutschland anschaffen.” “Du hättest doch auch putzen gehen können?!” “Du bist halt nur eine faule Nutte, die lieber die Beine breit macht als arbeiten zu gehen, ist es nicht so?” “Du bist einfach zu labil für diese Arbeit, andere Frauen lieben es, sich zu prostituieren, warum willst Du das verbieten?”

    Ich frage mich oft, warum Menschen mir solchen Nachrichten schicken.

    Warum es ihnen so wichtig ist, mir unbedingt zu sagen, wie dreckig, verkommen, faul, labil, bescheuert und unzurechnungsfähig ich bin.

    Und ich komme zu dem Schluss, dass dies Menschen sind, die ihr Weltbild in Frage gestellt sehen, wenn eine kommt und sagt: “es gibt sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen.”
    Allein auf die Feststellung dieser Tatsache reagieren sie aggressiv.

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    Hallo Du, ja DU, Du mit den Suizidgedanken.

      Heute ist Tag der Suizidprävention, und dieser Text hier, der ist für Dich.

      Du und ich, wir haben was gemeinsam: wir haben manchmal Suizidgedanken. Ich weiß nicht, wie es bei Dir ist, aber bei mir waren sie früher schlimmer.

      Schon als Kind hatte ich sie. Damals hatte ich noch gar keinen Namen dafür. Aber in mich war reingeprügelt worden, dass ich ganz, ganz schlecht bin und schuldig. Und mein Stiefvater hat mehrfach versucht, mich umzubringen. Totfahren oder ertränken oder auch aus dem Fenster eines Hochhauses halten. Irgendwann dachte ich dann, es wäre besser, ich wäre gar nicht da. Und wollte mich wegmachen. Konkret habe ich nichts unternommen. Aber es waren so Sachen wie: über die Strasse laufen, ohne zu schauen (vielleicht kommt ja ein LKW?). Auf dem Geländer der Talsperre balancieren (vielleicht falle ich ja den Staudamm runter?).

      Als Jugendliche habe ich dann mit Tabletten und Rasierklingen mehrere Suizidversuche unternommen, weil ich die Gewalt in meinen Elternhaus nicht mehr ausgehalten habe.

      Kennst Du das? Wusstest Du, das Suizid bei Jugendlichen die zweithäufigste Todesursache ist?

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      Schuld & Scham

        Ich habe ein Problem

        … und zwar habe ich gerade eine mächtigliche Schämattacke. Oh weia.

        Manchmal werde ich gefragt, wie ich so offen mit meiner Geschichte um Gewalt in der Kindheit und um Prostitution umgehen kann, aber eigentlich kann ich das gar nicht. Ich zwinge mich halt einfach dazu. Ich zwinge mich dazu, das zu sagen, wie es war, weil ich finde, dass es etwas ändert und bewirkt.

        Aber schämen tu ich mich trotzdem wie Bolle. Ganz, ganz unsäglich. Ich rede hier nicht von “oh, ich schäme mich, weil ich den ganzen Tag mit einem Fleck auf dem Pulli rumgerannt bin und nichts gemerkt hab”-Scham. Sondern von “oh Gott, wie konnte ich nur, wie war ich bloß, es ist so schlimm, ich will nichts mehr mit mir zu tun haben, ich muss weg, sterben gehen”.

        Nur leider kann man sich halt von sich selbst nicht scheiden lassen.

        Manchmal, da stellen JournalistInnen mir Fragen und ich beantworte die ganz easy und die Scham kommt erst danach, wenn ich allein bin. Manchmal halte ich das aus. Heute ist nicht so ein Tag.

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