Hallo Du, ja DU, Du mit den Suizidgedanken.

  • Flag
  • Flag
  • Flag
  • Flag
  • Flag
  • Flag
  • Flag
  • Flag
  • Flag

Heute ist Tag der Suizidprävention, und dieser Text hier, der ist für Dich.

Du und ich, wir haben was gemeinsam: wir haben manchmal Suizidgedanken. Ich weiß nicht, wie es bei Dir ist, aber bei mir waren sie früher schlimmer.

Schon als Kind hatte ich sie. Damals hatte ich noch gar keinen Namen dafür. Aber in mich war reingeprügelt worden, dass ich ganz, ganz schlecht bin und schuldig. Und mein Stiefvater hat mehrfach versucht, mich umzubringen. Totfahren oder ertränken oder auch aus dem Fenster eines Hochhauses halten. Irgendwann dachte ich dann, es wäre besser, ich wäre gar nicht da. Und wollte mich wegmachen. Konkret habe ich nichts unternommen. Aber es waren so Sachen wie: über die Strasse laufen, ohne zu schauen (vielleicht kommt ja ein LKW?). Auf dem Geländer der Talsperre balancieren (vielleicht falle ich ja den Staudamm runter?).

Als Jugendliche habe ich dann mit Tabletten und Rasierklingen mehrere Suizidversuche unternommen, weil ich die Gewalt in meinen Elternhaus nicht mehr ausgehalten habe.

Kennst Du das? Wusstest Du, das Suizid bei Jugendlichen die zweithäufigste Todesursache ist?

Und später, als ich in der Prostitution war, gab es einen Punkt, an dem ich kein eigenes Zuhause hatte, eigentlich nur anschaffen war und sonst nichts, permanent zugeballert und so grau, kalt, leer und unglücklich, dass ich nicht mal mehr die Kraft hatte, mich von der Brücke zu schmeißen. Ich war buchstäblich zu kraftlos, um Suizid zu begehen. Ich hatte keinen Kontakt zu niemandem mehr, außer zu BordellchefInnen und Freiern. Und ich hab eigentlich bloß drauf gewartet, dass mich einer der Freier endlich „wegschafft“, also umbringt. Ich hatte keine Power mehr, das selber zu tun. Und ich war eine von denen, die keiner gesucht hätte. Bei denen das gar nicht aufgefallen wäre, dass sie nicht mehr da sind.

Eine Niemand.

Aber dann kam mein Katerchen in mein Leben – und hat es mir gerettet.

Auch heute habe ich manchmal Suizidgedanken. Wenn ich gerade wieder sehr trauere. Oder doll angegriffen und bedroht werde. Oder in ein depressives Loch falle, wo ich dann denke, ich bin eine Belastung für alle, und ich kann nix.

Kennst Du, nicht wahr? Dachte ich mir. Und das verrückte ist: man will ja eigentlich nicht sterben. Sterben ist eh scheisse. Der Sterbeprozess macht keinen Spaß, vergiss dieses ganze Gelurxe von „friedlich einschlafen“, es ist gelogen. Sterben möchte man nicht, aber totsein halt. Weil man sich so denkt, dass man dann wenigstens den Schmerz nicht mehr fühlt und das fiese, grauleere Gefühl in einem.

Aber weißt Du was, wenn Du Dich so fühlst, dann möchtest Du eigentlich nicht tot sein. Du möchtest nur Dein Leben nicht mehr. Weil da gerade irgendwas massiv in Schieflage ist. Du möchtest es anders, aber Du hast nicht die Kraft dazu. Du möchtest DICH anders, aber Du hast nicht die Kraft dazu.
Ich verrate Dir was: Dein Leben ist nicht so schlimm, wie Du denkst, und Du KANNST es ändern. DU bist nicht so schlimm, wie Du denkst, und Du KANNST Dich ändern – Deine Gedanken und Deine Gefühle ändern und Dich wieder gut fühlen.

Bitte versacke nicht in diesen schwarzen Gedanken.
Sprich drüber und vertrau Dich jemandem an. Das ist das einzige, was hilft. Denn sobald man Suizidgedanken ausspricht, schrumpfen sie zu dem, was sie eigentlich sind: Gedanken.

Und Gedanken kann man vorüberziehen lassen wie Wolken. Sie haben keine Kraft.

Man kann mit Suizidgedanken leben, ich weiß das genau, denn auch mir schieben sich manchmal Suizidgedankenwolken vor die Linse.

Man kann einfach in eine BeobachterInnenrolle gehen, sich von oben und außen anschauen und sagen: “Ach, gugg mal einer an, hat sie wieder Suizidgedanken. Macht nix.”

Diese Gedanken zu haben, heißt noch lange nicht, dass Du Dich mit ihnen identifizieren oder nach ihnen handeln musst.

Gedanken sind nur Gedanken. Die können Dir gar nix.

Du bist nicht Deine Gedanken.

Jedes Jahr stirbt allein in Deutschland eine Kleinstadt an Suizid: 10.000 Menschen nehmen sich in Deutschland jedes Jahr das Leben.

Sei keineR von ihnen. Tu das den Menschen, die Du hinterlässt, nicht an. Auch wenn Du jetzt glaubst, es gäbe diese Menschen, die das berührt, nicht: doch, es gibt sie, und ich wünsche Dir alles, alles Gute. Das Beste. Damit das Beste und Liebste und Wundervollste in Dein depressives, schwarzes Loch fällt und es auffüllt, bis es kein Abgrund mehr ist, sondern ein Berg an Schönem.

Denn das hast Du verdient, auch wenn Du das gerade nicht glaubst.

Eine, die Deine Gedanken kennt und teilt

Hotline für Suizidprävention bei der Telefonseelsorge:
• 0800 – 111 0 111
• 0800 – 111 0 222
• 0800 – 111 0 333 (für Kinder / Jugendliche)