Diesen
Samstag werden meine Kolleginnen vom Netzwerk Ella und ich im Museum
der Bildenden Künste Leipzig darüber sprechen, warum Prostitution Gewalt
ist. Anlass ist Yoko Onos Ausstellung zu Gewalt gegen Frauen. Mehrere
von uns exprostituierten Frauen haben Gegenstände eingereicht, die als
Ausstellungsobjekt zu sehen sein werden. Ich habe meine roten Overknees
hergegeben, in meiner Zeit in der Prostitution habe ich sie oft
getragen, jetzt werden sie dort zu sehen sein.
Das ist mein Text dazu.
Der Name, den ich mir gegeben habe, um zu sprechen, ist Huschke.
„Huschke“ ist ostpreussischer Dialekt und bedeutet „eine Frau, die
nicht richtig da ist“. Mein “Nachname” war ein Vorschlag meines
Katerchens. Auf kurdisch heisst „Huschke Mau“ „meine Schwester“.
Ich habe mehrere Geschwister. Als Kinder haben wir von Anfang an extreme Gewalt durch meinen Stiefvater erlebt. Er hat uns mehrfach fast totgeprügelt. Fast jeden Tag war irgendwas. Manchmal musste ich stundenlang nackt strammstehen und mich anschreien lassen. Oder er hat vorgegeben, mich ertränken zu wollen und sehr lange meinen Kopf unter Wasser gedrückt. Er hat auch mehrfach versucht, uns alle in einer Amokfahrt mit dem Auto umzubringen. Wie sich das angehört hat, wenn meine Mutter von ihm vergewaltigt wurde, weiss ich noch genau.
Ab
der Pubertät hat sich mein Stiefvater mir dann auch sexuell genähert.
Daran kann ich mich aber nicht gut erinnern. Mit 17 bin ich von Zuhause
weggelaufen. Zuerst war ich in einer Mädchenzuflucht, aber dann nicht
mehr. Da ich allein und arm war und weder Support noch Selbstbewusstsein
hatte, habe ich angefangen, mich zu prostituieren, um irgendwie an Geld
zu kommen. Die Ämter waren mit meinem Fall ja überfordert und haben für
alles ewig gebraucht.
Dann habe ich einen Polizisten
kennengelernt, er hat mir gezeigt, wie das „richtig“ geht, sich zu
prostituieren. Es hat nicht lange gedauert, und ich war alkohol- und
drogenabhängig und hab bei Bekannten geschlafen. Suizidgedanken und
selbstverletzendes Verhalten kenne ich schon seit meiner Kindheit.
Ich habe trotzdem nebenbei mein Studium geschafft und bin jetzt Doktorandin.
Aber es hat mehr als 10 Jahre gebraucht, aus der Prostitution wieder
richtig rauszukommen. Geholfen hat mir dabei mein Katerchen. Ohne ihn
hätte ich irgendwann hingeschmissen.
Das hier sind rote
Overknees, ein Stammfreier hat sie mir geschenkt. Ich fand sie immer
unfassbar klischeehaft, aber ich habe sofort begriffen, was mir der
Freier damit sagen will: du bist nur eine Nutte, du bist nur zum ficken
gut, du bist nur für mich da, und nur für das eine. Sonst bist du nix.
Das hat mein Stiefvater auch immer gesagt. Erst mit Ende 20 habe ich
erfahren dürfen, dass ich vielleicht noch was anderes bin und kann als
die Ficke zu sein. (Aber manchmal zweifle ich noch daran.)
Mein Stiefvater war vermutlich auch Freier. Er hat mehrmals so Andeutungen gemacht. Und er hat auch mehrmals gesagt, ich gehöre ihm und er würde mich gern mal an seine Freunde „ausleihen“. Das wäre sein Recht. Er hat mich geprägt und hat vorgezeichnet, wo ich mal landen werde.
Prostitution ist die Ursache von Gewalt. Mein Stiefvater war sehr wahrscheinlich Frauenkäufer und damit Frauenhasser und hat an uns seinen Hass abgeladen und uns auf sexuelle Benutzung reduziert.
Prostitution ist die Konsequenz von Gewalt. Denn all meine Freier haben profitiert davon, dass mein Stiefvater mich schon vorher gebrochen hat.
Und Prostitution ist selbst auch Gewalt. Manchmal habe ich Freier von mir runterschubsen müssen, weil sie mich so an das erinnert haben, was mein Steifvater mit mir gemacht hat. Wenn das passiert ist, hab ich immer keine Luft mehr bekommen.
Manchmal hab ich diese Erstickungsanfälle heute noch.
Die ÄrztInnen sagen, da is nix.
Aber ich als Frau weiss, wir sind umgeben und betroffen von so viel Gewalt, dass man da gar nicht hindurchatmen kann.
// Huschke Mau, Mai 2019