Hey Du.
Ich muss es loswerden, rauslassen, mein Herz ist übervoll. Ich kann das gar nicht alles ausweinen.
Heute ist wieder einer von den düsteren Tagen. Es regnet und der Wind treibt mir die Fliederblüten am Fenster vorbei. Ich bin aufgewacht, habe es gesehen und habe fast 2 Stunden gebraucht, um aus dem Bett zu kommen. Alles tut weh. Mein Körper tut weh. Mein Herz tut weh. Meine Seele tut weh.
Es ist jetzt fast 11 Monate her, dass Du gestorben bist. Etwas, von dem ich wusste, dass es passieren könnte, so rein rational. Aber mein Herz hat das nie begriffen. Du und ich. Ich und Du. Egal, was war, im innersten gab es immer dieses WIR. Das geheimste, schönste, innigste. Ich wusste immer, und wenn die Welt um uns herum auch durchdreht, solange wir uns haben, ist alles gut.
Und jetzt ist es nicht mehr so. Und gar nichts ist mehr gut.
Schlimm sind die Nächte. Ich schlafe ein und nachts, im Traum, fällt mir ein, dass Du tot bist, und ich schrecke panisch hoch und fange an zu weinen. Jede Nacht wieder, immer mehrmals dieses schreckliche Begreifen, der existentielle Schock: Du bist tot. Es gibt Dich nicht mehr. Früh, wenn ich aufwache, bist Du mein erster Gedanke. Dann schlägt mir dieser Gedanke immer wieder eine Axt in den Bauch. Mit der laufe ich dann den ganzen Tag rum. Ich fühle mich innerlich ganz wund und aufgerieben. Und verletzt. Als hätte man mir was amputiert. Ein großes Stück Seele. Ein großes Stück Herz. Der Tod hat mir eine tiefe Wunde geschlagen. Sie heilt nicht. Dafür macht der Phantomschmerz mich verrückt. Manchmal träume ich von Dir und ich merke im Traum, dass ich träume, und zugleich weiss ich, das hier ist kein Traum, sondern echt. Wir treffen uns im Traum, weil wir uns woanders nicht mehr begegnen dürfen.
Schlimm sind die Tage. Man sieht es nicht, aber ich bin nur noch halb. Manchmal, wenn ich tief Luft hole, fühle ich mich schuldig dafür, dass ich atmen kann, und Du konntest es zum Schluss nicht mehr, und jetzt ist es erst recht aus damit. Wenn ich arbeiten bin, muss ich mich manchmal auf den Boden legen, weil mein Herz verrückt spielt, weil es stolpert und aussetzt und so schmerzt, dass sogar der Notarzt es sieht. „Ist ja auch klar, dass es durchdreht“, sage ich dann, „es ist ja auch kaputt.“ Denn so ist es. Es ist kaputt, zerbrochen, da sind Risse drin, als wäre es aus Glas. Ich hoffe, es fällt nicht auseinander. Denn Du wohnst ja darin. Für immer.
Keine Sorge. Ich stehe trotzdem auf und tue, was getan werden muss. Ich versuche, die Dinge nicht nur zu erledigen, sondern auch zu erleben. Aber ohne Dich tut es so weh. Alles ohne Dich tut so weh. Die Sehnsucht schmerzt furchtbar. Sie zieht sich durch jede Faser meines Körpers wie ein Schmerz.
Dafür gibt es keine Schmerztabletten.
Ich arbeite den Tag ab. Sobald die Aufgaben erledigt sind, knalle ich mich mit Beruhigungsmitteln zu. Weil ich nicht ertrage, still zu sein im Kopf und zu spüren, Du bist nicht da. Das ist das erste, was mir auffällt, sobald ich meine Augen und Gedanken vom Schreibtisch hebe: Du fehlst.
Ich traue mich nicht mehr, mir Ziele zu setzen. Mir auszumalen, was ich in Zukunft tun will. Denn jede Vision, in der ich mir ausmale, was werden könnte, hat ohne Dich zu sein. Und ich merke: wenn es ohne Dich ist, dann will ich es nicht.
Das einzige, was mich tröstet, ist, dass ich Dich nicht für immer vermissen muss. Denn irgendwann bin ich auch tot. Und dann sind wir entweder wieder zusammen, oder wir merken beide nichts mehr. Eine win-win-Situation, so oder so, für alle Beteiligten.
Heute ist so ein Fliederregentag. Du hättest ihn so geliebt.
Manchmal bin ich wütend. Zum Beispiel, wenn Leute fragen, warum ich noch nicht darüber hinweg bin, nach fast einem Jahr. „Und da bist du immer noch so traurig?“, fragen sie. „Ja!“, schreie ich dann, „ich bin immer noch traurig, wie könnte ich nicht, er ist ja auch immer noch tot!“
Dass die das nicht begreifen.
Stattdessen wird es auf eine gewisse Art schlimmer. Denn die Zeit, die dazwischen liegt, zwischen Deinem Tod und jetzt, die sammelt sich an, und sie trennt Dich von mir. Immer mehr. Und diese angesammelte Zeit, sie tut auch weh.
Es stimmt nicht, dass Zeit heilt.
Zeit heilt gar nichts.
Der Schmerz bleibt. So tief, wie ich Dich vorher liebgehabt hab, so tief geht jetzt der Schmerz.
Er lässt nicht nach.
Er ist bodenlos.
Ich lerne lediglich, mein Leben um ihn drumrum zu bauen.
Es gibt kein Dinopflaster, das groß genug wäre, um ein wegen Dir gebrochenes Herz zu kitten.
Du hast mir mein Herz groß und weit gemacht, und Dein Tod hat es mir zerbrochen.
Du fehlst so sehr.
Deine Huschke