Wie die Medien so über Prostitution schreiben

    Es gibt so Artikel, die kann man als Exprostituierte echt nicht lesen, ohne sich verletzt zu fühlen über den tiefsitzenden Hurenhass dieser Gesellschaft.
    Die österreichische KronenZeitung berichtet in extrem prostituiertenfeindlicher Weise über nicht minder prostituiertenfeindliche Polizeiaktionen in Innsbruck. Der Artikel strotzt nur so vor widerlich-süffisanter Altherrenwitzfrauenverachtung – hier greift das Prostituiertenstigma mal wieder enorm.

    Es ist die Rede von “Liebesnestern” (können sich Frauenverachter vielleicht mal entscheiden, ob das jetzt eine knallharte Dienstleistung oder Liebe sein soll? oder ist es nicht vielleicht doch sexuelle Gewalt?), in denen es “heiss hergeht” (höhö). Ein ziemlich alter Mythos ist es ebenso, wenn Prostituierten Geldgeilheit unterstellt wird: “Etwa in einem bekannten Vier-Sterne-Hotel am Rande der Innenstadt. Dort hatte sich eine Rumänin einquartiert, die trotz abgeschlossener Schulausbildung ihren Lebensunterhalt mit verbotenen Liebesdiensten verdient – und damit auch ihre Familie in der fernen Heimat unterstützt. Ihr Stundenlohn: satte 150 Euro!” Da fragt man sich doch, worüber regt sich der Artikelschreiber eigentlich gerade auf? Dass er für den Sex, der ihm als Mann anscheinend zusteht, auch noch bezahlen soll? Dass eine Frau, die für ihn anscheinend nur den Lebenssinn hat, ihm als Mann Sex abzuliefern, es sich wagt, dafür Geld zu nehmen? Dann das Verurteilen der Frau – diese hat immerhin eine abgeschlossene Berufsausbildung, oho! Und trotzdem geht sie anschaffen! Diese Bemerkung beinhaltet zwei Dinge:

    1. Der Vorwurf eines schlechten Charakters – denn die Tatsache, dass die Frau eine Berufsausbildung hat, gilt dem Autor als Beweis genug, dass sie Alternativen habe. Geht sie trotzdem in die Prostitution, ist sie SELBER SCHULD. (Dass der Autor von dieser Frau und ihren Umständen nichts, aber auch gar nichts weiss – geschenkt.)

    2. Dieses “Berufsausbildungsargument” dient ebenso dazu, ihr zu unterstellen, sie WOLLE es ja so, sie wolle die Prostitution, sie wolle die Freier, sie wolle, was ihr angetan wird.

    Diese Argumentationsstruktur kommt euch bekannt vor? Oh ja, sie wird von Frauenhassern regelmässig bei sexueller Gewalt angewandt, z.B. bei Vergewaltigung: die Frau hat einen schlechten Charakter, man kann ihr nicht glauben, sie hatte doch Alternativen (nachts nicht im Park rumlaufen, wegrennen…), also wollte sie es so. Das ist victim blaming vom feinsten, denn es schiebt die Schuld an der erlittenen sexuellen Gewalt dem Opfer zu.

    Denn ja, auch in diesem Artikel suchen wir mal wieder vergeblich nach der Verantwortung der Freier:

    “Warum ist das Angebot derzeit so groß? Die meisten Prostituierten seien regelrechte Nomaden. „Über den Sommer waren etwa viele in Norddeutschland oder in Schweden am Strich. In der kälteren Jahreszeit zieht es sie zurück. Innsbruck gilt in Sachen Wohnungsprostitution als Top-Adresse“, erklärt Greil.”

    Mal abgesehen davon, dass der “Nomadenvergleich” antiziganistisch ist (denn es handelt sich hier um Rumäninnen), enthält diese Formulierung auch einen krassen Logikfehler: denn das Angebot ist nicht so groß, weil die Prostituierten “umherziehen”, sondern weil in Innsbruck augenscheinlich die Nachfrage, ergo die Freiergemeinde, irre groß ist. Sonst würden nämlich gar keine Prostituierten nach Innsbruck kommen bzw. sie würden nicht dahin verschafft! Aber nein, der Artikelschreiber zieht es vor, es so klingen zu lassen, als wäre die Existenz von Prostitution die Schuld von (Zwangs-)prostituierten, diesen verderbten Charakteren, diesen Schlampen, die es doch wollen. Mein Gott, was müssen das für furchtbar niederstehende Frauen sein.
    Mir ist ganz schlecht vom Tenor dieses Artikels.

    Ebenso traurig finde ich die Polizeiaktionen. Denn in Österreich spielen Polizisten augenscheinlich den prostituierten Frauen vor, sie seien Freier – um sie “auf frischer Tat zu ertappen”. Dann hagelt es Bussgelder, Strafgelder, Gefängnisaufenthalte. Weil das Frauen ja bekanntermassen hilft, aus der Prostitution auszusteigen, wenn sie mal eben ein paar Tausend Euro Strafe zahlen müssen und keinen Job haben, gell? Die Frauen schaffen dann für den Staat an, der sich zum Zuhälter macht damit.

    Die ganze Aktion, der ganze Artikel zeigt: in gutbürgerlicher Doppelmoral werden Prostituierte für die Prostitution beschämt, sie werden gedemütigt, als Menschen zweiter Klasse beschrieben, verfolgt. An die Herren Freier, die ja schliesslich mit ihrer Nachfrage dafür verantwortlich sind, dass diese Prostituierten nach Innsbruck verschafft werden, kommt nichts ran, die werden hübsch in Ruhe gelassen. Es ist so traurig, man könnte heulen. Vor allem, wenn man weiss, dass in Österreich alle 6 Wochen eine Zwangsuntersuchung (!) prostituierter Frauen stattfindet, damit die auch hübsch gesund den Herren Freiern zur Verfügung stehen können, während sie selbst diskriminiert werden und beschämt. Dass die Freier es sind, die auf “alles ohne Gummi” bestehen und so die Prostituierten anstecken – geschenkt. Dass die Freier es sind, die die Geschlechtskrankheiten dann weiter in die Gesellschaft tragen – geschenkt. Das ganze Übel an der Prostitution ist laut dieser jahrhundertealten, patriarchalen Meinung die Prostituierte. Ich habs so satt manchmal.
    Es wird Zeit, dass diese Doppelmoral beendet wird. Fakt ist:

    Freier sind mit ihrer Nachfrage dafür verantwortlich, dass es Prostitution und Zwangsprostitution gibt.
    Was Freier tun, ist sexuelle Gewalt.
    Her mit dem Nordischen Modell – und Schluss mit euren süffisanten Altherrenwitzen!

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