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Oft ist die Rede davon, dass „Domina“ zu sein ja etwas völlig anderes wäre als Prostitution. Dominas, heisst es dann, wären in einer privilegierten Situation, denn sie müssten keinen Geschlechtsverkehr ausüben, und sie hätten ja die Macht über den Kunden. Es sei etwas völlig anderes, einen Freier mit der Peitsche zu bearbeiten, als im Laufhaus bis zu 10 Freier am Tag sexuell zu befriedigen. Auch sei Domina zu sein psychisch nicht so belastend.
Das entspricht nicht meiner Erfahrung. Domina zu sein, ist manchmal sogar noch anstrengender als die 08/15-Nummer hinzulegen. Warum?
Zunächst mal: ja, es gibt Dominas, die „unberührbar“ sind, die der Freier („Sklave“) nicht anfassen darf. Die meisten Dominas sind aber „berührbar“.
Ich möchte kurz über zwei Aspekte sprechen:
- Auch eine Domina hat nicht die „Macht“ über den Kunden. Nur, weil sie ihn auspeitscht, bedeutet das nicht, dass sie die Kontrolle über das Geschehen hat. Domina zu sein, bedeutet nicht, einfach wild auf einen Freier losprügeln zu können, sobald der zur Studiotür reinkommt. Was der Freier wünscht, wird vorher genau abgesprochen. Es wird vor der Session über das, was darin geschehen soll, geredet. Ich kann auch als Domina nicht einfach ungefragt einem Freier einen Dildo in den Hintern rammen. Der Freier hat IMMER die Kontrolle darüber, was geschehen soll. Welche Wünsche hat er? Hoden abbinden, auspeitschen lassen, „Dildospiele“, Würgespiele, „dog play“, verbale Erniedrigung…? Das wird er der Domina vorher sagen. Es gibt also keinen Unterschied zu „normaler Prostitution“: auch da bestellt der Kunde, was er haben möchte (Oralsex? Normaler Verkehr? Mit Küssen, ohne Küssen? Usw.) Domina zu sein bedeutet nicht, die Macht zu haben, sondern dem Freier erfolgreich die Illusion zu vermitteln, die Frau hätte sie – weil ihn das anmacht. Die reale Kontrolle hat aber immer noch der Freier. Es ist wie in der normalen Prostitution: er bestellt gemäß seinen Sexfantasien, die Domina / Prostituierte hat zu liefern.
- Diese Illusion herzustellen ist anstrengend. Domina zu sein, macht etwas mit dem Kopf. Denn während man in der „normalen Prostitution“ dissoziieren, also sich aus seinem Körper wegmachen kann, oder an etwas anderes denken kann (Fingernägel anschauen, an die Decke starren, Einkaufszettel zusammenstellen,…) muss man als Domina die ganze Zeit mit dem Kopf dabei sein – und sich sogar aktiv in den Kopf des Täters=Freiers hineindenken. Was will er jetzt? Was soll ich sagen? Wie soll ich mich jetzt geben? Was kommt als nächstes dran? Dieses aktive SichindenTäterreindenkenmüssen und die Gedanken dann ausagieren zu müssen ist, was einem richtig den Kopf ficken kann. Es bedeutet, dass der Missbrauch nicht nur auf sexueller, sondern auch auf Kopfebene stattfindet.
Also, wenn ihr das nächste Mal hört: „es geht hier um Prostitution, nicht um Dominas“: jetzt wisst ihr, das ist auch Prostitution. Der Freier hat sexuelle Fantasien, die Prostituierte ist dazu da, sie zu erfüllen. Auch Domina zu sein, dreht die Machtverhältnisse in der Prostitution nicht um.