Ich hab lange überlegt, ob ich das veröffentliche. Aber letztendlich denke ich, es ist wichtig, darüber zu sprechen, damit klar wird, von wem das Stigma gegenüber Prostituierten ausgeht.
Vor einigen Tagen habe ich gesehen, dass sich einer meiner ehemaligen Freier in einem Kommentar zu Wort gemeldet hat. Nicht auf meinem Huschke-Mau-Profil, sondern bei etwas privatem, bei einer anderen Tätigkeit. Der Kommentar war öffentlich. Er hat meinen damaligen „Arbeitsnamen“ öffentlich benannt und auch die Adresse des Wohnungsbordells, in dem ich damals war.
Meine erste Reaktion war: Schock. Ich habe es als das empfunden, was es auch war: eine Drohung. Keine, die auf meine körperliche Unversehrtheit abzielen würde, sondern eine, die das Stigma nutzt.
Was wollte dieser Freier, der sich anonym hält und der sich dafür extra ein Profil angelegt hat, mir damit sagen?
Er wollte sagen: „Ich weiss, wer Du bist. Du bist nur eine kleine Nutte. Ich hab Dich gefickt und damit gedemütigt. Und ich habe Macht über Dich, denn wenn ich das öffentlich mache, was Du getan hast, werden alle entsetzt sein und mit dem Finger auf Dich zeigen. Ich habe Macht über Dich, weil alle finden, dass Frauen mit Prostitutionsvergangenheit sich schämen sollten.“
Es ist dies ein Versuch, mich zurück an meinen Platz zu verweisen.
Das Stigma gegenüber Frauen in der Prostitution geht auch und vor allem von Freiern aus. Dass Frauen aus der Prostitution in dieser Gesellschaft verachtet werden, kommt Freiern gelegen, sie befeuern das. Warum?
Nun, das Stigma nutzt ihnen.
Erstens hilft es ihnen, vor sich selbst zu rechtfertigen, was sie tun. Dieser Mann hat eine damals sehr, sehr junge, drogenabhängige, wohnungslose Frau missbraucht, fast noch ein Mädchen. Ihr Zuhälter saß im Nebenzimmer. Ich weiß das, denn ich war dieses Mädchen. Kann man noch gut schlafen, wenn man sowas getan hat? Eher nicht. Da kommt es doch gelegen, wenn man sagen kann: das war kein verletzliches, traumatisiertes Mädchen, dem ich das angetan habe, sondern es war eine Hure. Eine, die schmutziges getan hat, eine, die verdorben ist, eine, die sich schämen sollte. Wenn man das so sieht, kommt einem das, was man als Freier getan hat, gleich viel weniger schlimm vor. Das Stigma ist also nützlich bei dem Versuch, vor sich selbst zu rechtfertigen, dass man sexuelle Gewalt ausgeübt hat.
Zweitens nutzt das Stigma Freiern, weil es dafür sorgt, dass die Frauen und Mädchen aus der Prostitution nicht über das sprechen, was ihnen dort geschehen ist und was Freier ihnen angetan haben. Der Kommentar dieses Freiers war ein Versuch, mich zurück an meinen Platz zu verweisen, dort, wo ich hingehöre: nach unten. Und die, die unten sind, die haben keine Lobby, niemanden, der ihnen zuhört, niemanden, der ihnen glaubt. Und so darf Geheimnis bleiben, was in der Prostitution geschieht.
Es wird niemals Prostitution geben, in der Prostituierte nicht stigmatisiert werden. Denn Freier brauchen das Stigma, sie befeuern es, sie verstärken es, sie arbeiten daran, dass es weiter die Frauen und Mädchen sind, die sich schämen müssen. Während sie, die Freier, sagen können: ich habe ja nur eine sexuelle Dienstleistung in Anspruch genommen. Sie wissen dabei eine Gesellschaft hinter sich, die das genauso sieht.
Zuerst hat das funktioniert, bei mir. Ich hatte eine schreckliche Nacht, ich habe mich schäbig gefühlt, schmutzig und schlecht. Ich habe mich geschämt. Und ich hatte fürchterliche Flashbacks und Erinnerungen, die hochkamen.
Aber jetzt finde ich, ich bin nicht die, die sich schämen sollte. Der, der mich damals missbraucht hat, sollte sich schämen. Der, der diesen Kommentar geschrieben und versucht hat, mich mit seinem Wissen über meine Vergangenheit einzuschüchtern, sollte sich schämen.
Es muss Schluss sein damit, dass Frauen und Mädchen mit Prostitutionsvergangenheit beschämt werden, dass sie sich erpressbar fühlen damit, dass sie in der kommerzialisierten sexuellen Ausbeutung gelebt haben. Wer sich schämen sollte, ist klar: die, die Sex ohne Konsens haben, die, die die Not anderer ausnutzen, die, die über Frauen und Mädchen drüberrutschen und denken, das sei ok, bloß weil sie dafür gezahlt haben.
Im Nordischen Modell ist es verboten, Freier zu sein. Frauen und Mädchen aus der Prostitution bekommen dort Hilfe, und werden nicht beschämt. Freier werden beschämt. Weil es Gewalt ist, Sex zu haben, von dem man weiss, dass die Frau ihn nicht will, aber das Geld braucht oder sonst Ärger mit ihrem Zuhälter kriegt.
Das Stigma ist der Prostitution inhärent. Es gibt keine Prostitution, ohne dass Frauen in ihr beschämt und ausgegrenzt werden. Freier wollen das so. Beschämte, ausgegrenzte Frauen haben keine Stimme. Und das kommt Freiern nur recht.
Ich bin heute nicht mehr ausgegrenzt. Ich habe eine Stimme. Und ich werde immer über alles, was geschieht, schreiben können. Das ist mein Handlungsspielraum. Ich gedenke, ihn zu nutzen. Und ich nehme mir vor, mich nicht mehr zu schämen.
Jetzt erst Recht nicht mehr!
Huschke
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