Freier & Kindesmissbrauch

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Überdurchschnittlich viele Frauen in der Prostitution sind als Kind Opfer von sexuellem Missbrauch geworden. Wissen Freier das, und wenn ja, wie gehen sie damit um?

Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass es verschiedene Typen von Freiern gibt, und dass Männer, die Sex kaufen, also auch unterschiedlich damit umgehen, dass viele der Frauen, die sich prostituieren, als Kind missbraucht worden sind.

Es gibt Freier, die unbedingt und unter allen Umständen ihr gutes Bild von sich selbst behalten wollen. Sie wollen das, was sie tun, nicht reflektieren, weil sie sonst damit aufhören müssten oder ein schlechtes Gewissen dabei entwickeln würden. Deswegen blenden sie alles aus, was sie als Täter, Mittäter oder als Profiteur vergangener Gewalttaten kennzeichnen würde. Ich erinnere mich an einen Freier, der viel Girlfriendsex von mir wollte, also Küssen, Schmusen, Händchenhalten, Essen gehen, was für mich sehr anstrengend war, da all diese Gesten ja meinerseits nicht authentisch waren, sondern imitiert und geschauspielert werden mussten. Das habe ich als Form emotionaler Ausbeutung empfunden. Dieser Freier wollte sehr viel „privates“ von mir wissen. Einmal waren wir in einem Restaurant essen, und er sprach über den Film „Forrest Gump“, der einer seiner Lieblingsfilme war, und er redete darüber, wie sehr ihn die Szene mitnahm, in der Jenny vor ihrem Vater wegläuft und sich im Feld versteckt, weil dieser sie wieder sexuell missbrauchen will. Ich war total angetriggert und fiel in eine Starre und bat ihn, aufzuhören. Ich sagte deutlich: „Das ist mir auch passiert, was denkst du, warum ich hier mit dir sitze? Hör auf.“ Was dann geschah, war absurd: Er sah mir in die Augen, wirkte kurz irritiert und fuhr dann fort, zu erzählen, wie schlimm er diese Filmszene fand und wie entsetzlich er Kindesmissbrauch finde. Er könne das nicht verstehen, wie Männer so etwas tun könnten, es sei schrecklich. Zum Glück kenne er keine Frau, der das passiert sei. Die Situation war skurril, weil ich ihm ganz klar gesagt hatte, dass auch ich Opfer von Kindesmissbrauch gewesen war und weil ich zudem sogar den Gedanken geäußert hatte, dass er als Freier davon profitiert, weil ich sonst nicht in der Prostitution wäre. Er hat aber beschlossen, das einfach knallhart zu ignorieren. Er wollte das nicht hören. Er wollte weiter der „gute Freier“ sein, der eine „Beziehung“ zu „seiner“ Prostituierten aufbaut. Für mich war das ein Zeichen dafür, dass einige Freier auf Teufel komm raus von einer Prostituierten erwarten, dass sie sich nicht nur für Sex gegen Geld hingibt, sondern auch noch deren Selbstbild als guter Mann bestätigt, selbst, wenn es keine guten Männer sind. Bei einer anderen Gelegenheit hat dieser Mann mich auf meine von Selbstverletzungen zerschnittenen Arme angesprochen. Ich meinte darauf, ich hätte eine Posttraumatische Belastungsstörung wegen sexueller Gewalt. Er erwiderte, wenn ich nur fest daran glauben würde, könnte ich wieder gesund werden. Dann bat er mich, mit ihm auf Zimmer zu gehen, weil seine gebuchte Stunde bereits begonnen habe.

Dann gibt es Freier, die wissen, dass viele Frauen in der Prostitution sexuelle Gewaltvorerfahrungen haben und denen das einfach egal ist. Sie glauben, das Geld, das sie zahlen, sei eine Art Ablasshandel: indem sie zahlen, kaufen sie sich davon frei, sich schuldig zu machen oder jemanden auszunutzen. Sie entledigen sich so ihrer Verantwortung und nutzen dafür auch Victim Blaming: die Frau ist für sie selbst Schuld, immerhin müsste sie ja nicht im Bordell sitzen – ihrer Meinung nach.

Und dann gibt es Freier, die um sexuellen Kindesmissbrauch wissen und die darauf stehen, weil die Vorstellung sie erregt. Ich habe Männer erlebt, die mich baten, explizit zu berichten, was geschehen sei, und die mich danach sexuell missbrauchten. Mir kam es vor, als könnten sie ihr schlechtes Gewissen über das, was sie tun, erst ablegen, wenn sie sich sagen können, dass diese Frau bereits vorher beschädigt worden war. So nach dem Motto: auf einen mehr kommt es dann nicht an, vor mir waren ja schon mehrere da, die haben sie kaputtgemacht, jetzt ist sie kaputt und da kommt es nicht mehr drauf an. – Und es gibt Freier, die explizit junge Frauen und Mädchen in der Prostitution aufsuchen, von denen sie ahnen, dass diese sexuellen Kindesmissbrauch erlebt haben. Das sind oft die, die Reinszenierungen wünschen. Freier haben mir verstörende Dinge davon erzählt, was sie selbst mit anderen jungen Mädchen getan haben und baten mich dann, das mit ihnen nachzuspielen, in Schulröckchen und Zöpfen. Einige Freier haben auch betont, ich sei „so alt wie ihre Tochter“ oder würde dieser sehr ähnlich sehen. Das hat mich immer sehr verstört.

(c) Huschke Mau