Sexueller Konsens

    Neulich entgegnete mir in einer Diskussion über die verbotene Nutzung von Prostitution ein Mann folgendes: „Was Schweden da macht, ist verrückt! Es ist ja gar nicht erwiesen, dass das alle Frauen unfreiwillig machen!“

    Und da wurde mir klar, wir müssen mal über Konsens sprechen. Denn es gibt verschiedene Definitionen davon – und der Mann sprach von einer anderen Definition als die, die in Schweden genutzt wird. In Schweden muss nämlich nicht bewiesen werden, dass eine das unfreiwillig macht, bevor eingegriffen wird – sondern es muss bewiesen werden, dass sie es freiwillig macht.

    In Deutschland hatten wir lange einen sehr ätzenden Konsensbegriff: es war nur dann Vergewaltigung, wen die Frau sich erheblich körperlich wehrte. Das konnten natürlich nicht alle Opfer, z.B. aus Angst und Schockstarre. Jetzt haben wir immerhin die „Nein heisst Nein“-Regelung, nach der Konsens nicht mehr besteht, wenn das Opfer deutlich gemacht hat, dass es nicht will.

    Ist aber auch ein bescheuertes Verständnis von etwas, ganz ehrlich. Ich kann auch nicht davon ausgehen, dass automatisch alle mir gerne ihre Geldbörse überlassen wollen, es sei denn sie wehren sich körperlich oder verbalisieren deutlich ein „Nein“.

    Schweden ist da weiter, dort gilt: „Nur Ja heißt Ja“. Das bedeutet: Alle, die am Sex teilnehmen, sind verantwortlich dafür, sich zu versichern dass alle freiwillig mitmachen. Niemand darf einfach davon ausgehen, dass irgendjemand den Sex schon irgendwie erdulden oder über sich ergehen lassen wird, bloß weil eine passiv daliegt oder nix sagt. Der Konsens muss immer eingeholt werden, er muss aktiv und freiwillig gegeben werden.

    Als nicht freiwillig gegeben gilt: wenn der Täter stark missbraucht, dass das Opfer abhängig von ihm ist, wenn es Gewalt und Drohungen und Einschüchterungen gab, wenn der Sex die Folge anderer Übergriffe oder die Folge von Verbrechen anderer ist, z.B. Menschenhandel. In diesen Fällen ist auch ein Ja kein Ja.

    Denn, klar: ein Menschenhandelsopfer kann keinen Konsens geben, und wer in der Prostitution ist, ist stark abhängig vom Freier – der nämlich das Geld hat. Diese Konsensdiskussion ist klar die bessere, frauenfreundlichere. Deswegen hat Schweden auch neulich eingeführt, Männer zu bestrafen die für Livesexakte im Internet (z.B. auf Onlyfans) bezahlen.

    Denn der schwedische Staat sagt: der Konsens ist in diesen Systemen nicht herstellbar, weil es Ausbeutungssysteme sind – UND: freiwillig oder nicht? Kein Freier, kein Pornonutzer kann das wissen. Konsens nicht herstellbar und Sexakt trotzdem ausgeführt? Das gilt in Schweden als Vergewaltigung oder, wenn grob fahrlässig gehandelt wurde, als „fahrlässige Vergewaltigung“.

    Und das brauchen wir hier auch!

    © Huschke Mau