Auch ich habe mich anfangs in Wohnungsbordellen prostituiert, und in
 der NZZ wird gerade beschrieben, dass sich in Zürich ein Streit um 
diese kleinen Wohnungsbordelle entzündet hat. Wohnungsbordelle sind ganz
 normale Wohnungen in Mietshäusern, nur, dass dort eben 2 oder mehr 
Frauen sich prostituieren. Es könnte die Wohnung neben euch sein. 
 
Die Frauenberatungsstelle FIZ in Zürich plädiert dafür, diese 
Wohnungsbordelle in Wohngegenden zuzulassen. Der Gemeinderat äusserte, 
„Prostituierte seien in sexgewerblichen Kleinstsalons besser vor 
Zwangsprostitution und Ausbeutung geschützt und könnten so in der Regel 
wirtschaftlich unabhängig und selbstverantwortlich arbeiten.“.
Ist das so?
Zunächst: Ja, es gibt sie, kleine Minisalons, in denen nur 2 Frauen der Prostitution nachgehen. Ob sie ihr Geld ihrem „Freund“ abgeben, mag unterschiedlich sein. Vielleicht gibt es als Megaausnahme wirklich die paar Fälle, in denen diese zwei Frauen ohne Einfluss Dritter arbeiten und sich die Miete teilen. Bzw. die eine Frau mietet die Wohnung und nimmt Tagesmiete von der anderen (oder, wie es üblich ist, 50% derer Einnahmen). Damit profitiert schon eine Person von der Prostitution der Anderen. Etwas, das wir abschaffen wollen, denn niemand, kein Zuhälter, kein Bordellbetreiber, kein „Vermieter“ soll davon etwas haben, dass andere anschaffen gehen.
In den meisten Wohnungsbordellen ist eine gleichberechtigte (unter Prostituierten!) Vorgehensweise also schonmal nicht möglich. Auch ich habe in 2 Wohnungsbordellen angeschafft (bevor ich zu Haus- und Hotelbesuchen gewechselt bin), nur waren da die „VermieterInnen“ eher ZuhälterInnen. Dass eine Wohnung davor schützt, ausgebeutet, zwangsprostituiert oder gehandelt zu werden, stimmt nicht. Im 2. Wohnungsbordell habe ich unter einem Typen gearbeitet, der mit seinen damals Anfang 30 Jahren schon 10 (!) Jahre Knasterfahrung hinter sich hatte. Und das garantiert nicht wegen Schwarzfahren, sondern wegen schwerer Körperverletzung, räuberischer Erpressung, Waffen-, Drogenhandel, you name it. Eine Wohnung KANN eine Sicherheit sein. Sie KANN aber auch zur Falle werden. Denn in so einer kleinen Wohnung ist der, der sie „vermietet“, schnell auch ein Tyrann, ganz genau so, wie in anderen Bereichen der Prostitution (Megabordell, Laufhaus, Strich…). Da gibt es dann schnell mal „sich frisch machen für den Chef“, Strafgelder bei Zuspätkommen, abgelehnten Freiern, nichtaufgeräumten Zimmern. Schnell mal Druck und Erpressung und auch Gewalt.
Viele der aus Rumänien und Bulgarien hergehandelten Frauen landen ebenfalls in diesen kleinen Wohnungsbordellen. Manche von ihnen dürfen es nicht verlassen und wissen gar nicht, in welcher Stadt sie gerade sind.
 In einem Wohnungsbordell ist man also nicht per
 se vor Menschenhandel und Zwangsprostitution und Fremdbestimmung 
geschützt. Das ist ein Mythos.
 Ebenso sind Wohnungsbordelle nicht 
sicherer, was Freiergewalt angeht. Ja, wir hören es immer wieder, das 
Märchen davon, dass das Nordische Modell so gefährlich wäre, weil es 
dort nicht mehr erlaubt ist, dass 2 Frauen sich zusammentun und zusammen
 in einer Wohnung anschaffen. Aber Fakt ist: Vergewaltigungen, 
Verprügeln, Mord, all das findet in der Prostitution statt, und zwar 
überall. Im Megapuff mit Sicherheitsdienst. Im FKK-Club oder davor, auf 
der Strasse. Im Escort in einem Hotelzimmer (nebenan Menschen in 
Rufweite). Auf dem Strassenstrich, obwohl sich die Kolleginnen die 
Autonummer des Freiers notiert haben. Und in Wohnungen. Dort finden, 
wertet man die Morde aus Deutschland aus, die an prostituierten Frauen 
begangen worden sind seit 2002 (über 80 Morde sind das), sogar die 
meisten für die prostituierten Frauen tödlich endenden Übergriffe statt.
 
Das einzige, was ich am Wohnungsbordell gut fand (gut in dem Sinne, dass, wenn ich mich schon prostituieren muss, ich doch gerne bestimmte Bedingungen hätte): es ist nicht so ein elendes Schaulaufen wie in FKK-Clubs, Megapuffs oder am Strich. Man sitzt nicht stundenlang halbnackt auf einem Hocker vor seinem Zimmer, während endlose Schlangen von Typen an einem vorübergehen, einen mustern, kommentieren, auch mal anfassen, mit einem verhandeln. Man muss nicht den ganzen Tag im FKK-Club mit anderen halbnackten Mädchen konkurrieren und sich Frischfleischbeschauen lassen und anbiedern. Jeder Mensch hat ein Schamgefühl, auch wir Frauen in der Prostitution. Ja, es wirkt in den Wohnungen privater. (Was nicht bedeutet, dass nicht eine dritte Person das Ganze steuert.) Was ein Vorteil sein kann. Oder ein Nachteil, was die Sicherheit angeht.
 Einen Nachteil haben die Wohnungen 
natürlich auch, was die NachbarInnen angeht. Ich erinnere mich, dass die
 ganz schön zu leiden hatten. Da klingelte öfter mal ein Freier an der 
falschen Tür oder trieb sich im Treppenhaus rum.
 Was ist mein Fazit? Ich weiss es nicht genau. Wohnungsbordelle sind sicher angenehmer als Megapuffs. Sicherer sind sie nicht. 
 Prostitution ist IMMER gefährlich, egal, wo sie stattfindet. Dass 
ständig über eine SICHERE UMGEBUNG diskutiert wird, lenkt ja eigentlich 
davon ab, vor WEM sich Prostituierte eigentlich schützen müssen. Denn es
 ist ja nicht die Umgebung, die uns angreift, vergewaltigt, ermordet. Es
 sind die Zuhälter – und, wenn wir die nicht haben, die Freier.
 Es 
geht um die Freier. Freier sind gefährlich. 80 Morde an Prostituierten 
in Deutschland seit 2002. Unzählige Mordversuche. Ungezählte 
Vergewaltigungen, Schläge, Übergriffe.
Es geht nicht um die Frage, ob wir Wohnungsbordelle brauchen, es geht um die Frage, wie Prostituierte vor Extragewalt (zusätzlich zum prostitutiven Akt) geschützt werden können, und da müssen wir klar benennen, wer diese ausübt: die Freier!
Hier anbei der Link zum Artikel in der NZZ: klick mich.
 
					