Was bedeutet Solidarität mit Prostituierten?

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Dieser Text ist zuerst bei den Störenfriedas (hier) und in der Huffington Post (hier) erschienen.

 

Seit Tagen treibt mich die Frage um, wie ich ausdrücken kann, was für mich Solidarität mit Prostituierten ist. Der Grund dafür ist das Prostituiertenschutzgesetz, welches diesen Sommer kommt, und die darin enthaltene Anmeldepflicht.

Ich sage das gleich am Anfang: sollte ich jemals wieder anschaffen müssen, weil ich in einer Notlage bin, die jetzt noch nicht abzusehen ist, werde ich mich nicht anmelden. Eher hack ich mir die rechte Hand ab als das das zu tun.

Ich habe mich für die Forderung nach einer Anmeldepflicht (ebenso wie für die Beratungs- und Kondompflicht) ausgesprochen, weil die Einführung des Nordischen Modells mit seiner Freierbestrafung in Deutschland leider noch nicht ernsthaft zur Debatte stand und steht, wiewohl ich mir das auch wünschen würde, und weil die Anmeldepflicht für die ausländischen Prostituierten, die aus den Armenhäusern Europas kommen und hier anschaffen (müssen), und die mittlerweile 70 – 90% aller Prostituierten ausmachen, eine Verbesserung ihres Status´ im Vergleich zu ihrem Status jetzt bedeutet. Die Anmeldepflicht ermöglicht nicht nur, nachvollziehen zu können, wo die Frauen gerade sind – das ist ein Schutz für die, die von Stadt zu Stadt herumgereicht werden ohne zu wissen, wo sie sind, und für die, die „verschwinden“, wenn sie verbraucht, zu kaputt sind oder Widerstand leisten. Sie ermöglicht auch, dass ausländische Prostituierte, die hier „gearbeitet“ (denn so sieht es der deutsche Staat, der fleißig profitiert von dem kommerziellen sexuellen Missbrauch der Frauen) und Steuern gezahlt haben, endlich auch statt Steuerpflichten einige Rechte zugestanden bekommen, zum Beispiel das Recht auf Sozialleistungen, was ihnen den Ausstieg ermöglichen kann. Das ist wichtig. Dass wir Abolitionistinnen das durchgesetzt haben, war richtig und wichtig, und doch gibt es ein ABER. Das ABER ist riesengroß.

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Warum Sexualassistenz auch nur Prostitution ist

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Dieser Text ist zuerst bei den Störenfriedas (hier) erschienen.

 

Die Debatte um Sexualassistenz hat mich richtig derbe aufgewühlt. Ich hab mehrere Nächte gebraucht um auseinanderzuklamüsern, was genau mich so fertig macht daran. Was mich daran hindert, einfach einen neuen bösen Text zu schreiben.

Ich bin nicht nur Exprostituierte, ich habe nicht nur Erfahrungen in der Prostitution. Ich hab auch mal für ein paar Wochen im Behindertenheim gearbeitet. Und während der Debatte sind mir so viele Bilder von damals wieder aufgetaucht. Wir hatten einen 50igjährigen auf der Station, der hatte seit einem Hirnschlag keinerlei Kontrolle mehr über sein Sprachvermögen (unter anderem). Und das bei vollem Bewusstsein. Greifen ging nicht mehr, essen ging nicht mehr, sprechen ging nicht mehr. Zu dieser Zeit hatte ich einen Flirt mit einem Pfleger auf der Station. Niemand hat das mitbekommen, nur der Patient hat immer gegrinst, wenn er uns beide sah, hat zwischen uns hin- und hergeschaut und die Augenbrauen neckisch hochgezogen. Wir haben uns angelacht und fortan wussten also 3 Menschen von diesem Geheimnis. Aber ich habe mich auch unglaublich geschämt, dass ich einfach so rumlaufen und mich verlieben und das auch ausleben darf, während andere das nicht mehr können. Dann war da noch eine Patientin mit Trisomie 21, die mich dauernd umarmt hat. Ich kannte das nicht von Zuhause, liebevoll angefasst zu werden, und hab gleich erstmal losgeheult. Und jeden Tag hat sie mich auf ihre Hochzeit eingeladen. Sie hat sogar schon Bilder gemalt, von sich und ihrem Kleid und den Luftballons und den Gästen. Wenn man auf die leere Stelle neben der Braut getippt und gefragt hat: „Wo ist denn dein Bräutigam? Wen willst du denn heiraten?“ meinte sie immer leichthin: „Och, das weiß ich noch nicht. Aber bis morgen ist doch auch noch Zeit!“

Heute Morgen hab ich dann endlich klargekriegt, was mich an der Debatte so fertig macht.

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Wolf im Schafspelz: Sexualassistenz

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Dieser Text ist zuerst auf Emma online (hier) erschienen.

 

Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Elisabeth Scharfenberg, hat der Welt am Sonntag gegenüber erwähnt, sie könne sich vorstellen, dass Kommunen die Kosten für eine sogenannte „Sexualassistenz“, also „sexuelle Dienstleistungen“ für ältere und demente oder behinderte Menschen übernehmen. Seitdem wird in den Medien breitgetreten, auch diese Menschen hätten ein Recht auf Sex und sie litten an Einsamkeit, fehlender Nähe und mangelnder Zärtlichkeit. Das regt mich nicht nur als Ex-Prostituierte, sondern auch als denkender und fühlender Mensch wahnsinnig auf. Was soll uns hier eigentlich verkauft werden?

Zunächst mal ist „Sexualassistenz“ auch nur ein etwas schönerer Name für Prostitution. Schaut man sich die Angebote an, findet man: Küssen, Schmusen, Kuscheln, Streicheln, Oral- und Geschlechtsverkehr. Was ist das bitte anderes als der „girlfriend sex“, dessen „Nähe und Zuneigung“, zu der sich die Prostituierten in den meisten Fällen überwinden müssen, diese oft emotional traumatisiert hinterlässt?

Wütend macht mich auch, dass hier versucht wird uns weiszumachen eine Stunde mit einer Prostituierten löse für die alten, dementen oder behinderten Menschen ein Problem, an dem sie wirklich leiden: die Exklusion aus der Gesellschaft, die emotionale Verwahrlosung, den Pflegenotstand, der für kein Gespräch zwischen Pflegefachkraft und PatientIn Zeit lässt, für keine Hand auf der Schulter, keine Tasse Kaffee, keinen Schnack. All diese Probleme lösen sich nicht in Luft auf, wenn per Rezept eine Stunde gekaufter Sex eingelöst wird!

Auch frage ich mich, was das für eine Politik sein soll, wenn, wie von pro familia vorgeschlagen, auf die Übergriffe auf Schwesternpersonal durch alte demente Männer derart reagiert wird, dass diesen eine Prostituierte zur Verfügung gestellt werden soll. Auch wenn diese Männer nichts dafür können (mit der Impulskontrolle isses bei Demenz dann nicht mehr so weit her), aber ist das die Art, wie wir künftig mit Übergriffen umgehen möchten? Wer bekommt dann als nächstes eine Prostituierte verschrieben? Alle die ihre Hände nicht bei sich lassen können? Da ist sie wieder: die „Prostitution ist gut gegen Vergewaltigungen“-Sache, die Triebabfuhr-Theorie. Schon hundert Mal widerlegt und trotzdem nicht totzukriegen. Und ich bekomme das Gefühl nicht los, dass es hier auch darum geht, Patienten ruhigzustellen.

Und „Patienten“ habe ich jetzt ganz bewusst nicht gegendert. Denn wir alle warten vergeblich auf das Heer der männlichen Sexualassistenten, die sich den Omis zur Verfügung stellen. Das  „Recht auf Sex“ gilt ja für alle, wie ich in mehreren Artikeln gelesen habe. Also auch für die Omis. Dann mal her mit den jungen Kerlen! Aber die dementen Omis werden, wie ich lesen muss, mit einem Vibrator allein aufs Zimmer geschickt.

Überhaupt, wie darf ich mir das alles vorstellen? Müssen diese Omis, die vielleicht die Massenvergewaltigungen durch die alliierten Armeen nach Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt haben, die durch gesetzlich festgeschriebene „eheliche Pflichten“ durchmussten, die Vergewaltigung in der Ehe nie anzeigen konnten (bis 1997 nicht) auf der Station jetzt mitbekommen, wie sich die alten Herren immer noch ihres vermeintlichen Rechtes auf Sex und auf Frauenkörper bedienen?

Wenn ich lese „auch alte und behinderte und demente Menschen haben ein Recht auf Sex“ finde ich die Vermengung der Ebenen verblüffend. Ja, jedeR hat das Recht auf die eigene Sexualität, sofern sie niemanden belastet. Behinderte Menschen haben ein Recht darauf, in Einrichtungen zu leben die ihnen genügend Privatsphäre für Selbstbefriedigung oder sexuellen Austausch lassen. Alte Menschen sollten nicht beschämt werden für den Sex, den sie haben. Ja, dieses Recht auf Sexualität gibt es, aber es gibt eben KEIN Recht das einem oder einer ein Mensch zur Verfügung gestellt wird, der dabei mitmacht. „Sexualassistenz“ ist ein Wolf im Schafspelz, der Behinderte und Alte vorschiebt, obwohl es in Wirklichkeit darum geht, Verfügungsgewalten über Frauenkörper festzuschreiben. Prostitution läuft gut in Deutschland. Warum nicht neue Märkte erschließen? Schließlich sollen alle was von dem Fleischmarkt mit jungen, oft ausländischen Frauen haben, pardon: alle Männer. Auch die dementen, alten und behinderten.

 

Scharfenberg hat auf ihrer Homepage ihre Aussage übrigens präzisiert: „Und darum gibt es sie, die Sexualbegleiterinnen und Sexualbegleiter. Menschen, die in Pflegeeinrichtungen kommen und gegen Geld sexuelle Wünsche der Bewohnerinnen und Bewohner erfüllen. Dann, wenn keine Partnerin oder kein Partner mehr da ist. Dann, wenn Menschen sich genau das wünschen.“ Einmal auf der Zunge zergehen lassen bitte: Dann, wenn keine Partnerin mehr da ist.

Und damit wissen wir jetzt alle ganz genau, welcher Vorschlag als nächstes von den grünen ProstitutionsverteidigerInnen kommt.

 

Huschke Mau