Ein paar Gedanken über Hurenhierarchien und verdammt bürgerliche Vorstellungen von Prostitution

    Gerade ist auf Welt.de ein Interview mit mir erschienen. Und im Teaser steht etwas, das mich gerade sehr zum Nachdenken gebracht hat. Da liest man: „Einst ging sie selbst auf den Strich. Nun kämpft Huschke Mau für die Abschaffung der Prostitution. Über ihre Ex-Kunden fällt sie ein hartes Urteil. Jeder Freier gehe bewusst das Risiko ein, eine Vergewaltigung zu begehen.“

    (Sidenote: Die Interviewerin kann nichts dafür, und das hat auch nichts mit der Qualität des Interviews zu tun – die Teaser bauen andere Menschen in der Redaktion.)

    Und das löst widersprüchliche Gefühle in mir aus.

    Mein erster Impuls war: „Bitte was, ich war nie auf dem Strich!“

    Und das ist so. Ich war nie auf dem Straßenstrich. Ich war in Wohnungsbordellen und im Escort, was am Ende nichts anderes heißt als „Haus- und Hotelbesuche“.

    Mein zweiter Impuls war: „Das darfst Du jetzt aber öffentlich nicht sagen.“

    Warum nicht? Nun, es gibt in der Prostitution eine Hurenhierarchie. Diese geht so: ganz oben stehen Luxusescorts, dann kommen die Callgirls, dann die Appartmentprostituierten, weiter unten findet man Frauen, die in gewöhnlichen Bordellen sind, dann FKK-Clubs, Wohnmobile, Straßenstrich. Wer dort steht, ist „ganz unten“ und „das Letzte“ – nicht nur für die bürgerliche Welt, sondern oft auch für andere Frauen in der Prostitution. Denn wer schon anschaffen muss, der muss sich nach unten abgrenzen, um sich selbst zu beweisen, dass zumindest die eigene Situation ja nicht so schlimm ist. Und ich hasse diese Hurenhierarchie. Sie besagt nichts. Frauen, die auf dem Strich stehen, sind nicht anders als Luxusescorts, sie sind nicht weniger wert, sie sind nicht gefühllos und würdelos, sie sind NICHT „das Letzte“.

    Und ich hasse es, mich zu entsolidarisieren von den Frauen und Mädchen auf den Babystrichs, den Drogen- und Straßenstrichs. Denn ich weiß: ob im Luxushotelbett oder am Waldrand beim Strich, wir haben dasselbe durchgemacht. Die Freier sind Täter, überall.

    Ich tue es jetzt doch und sage es: ich war nie auf dem Strich. Aber ich sage das nicht, weil ich mich abgewertet fühle durch diesen unwahren Satz. Ich sage dies auch nicht, weil ich mich von den Frauen auf dem Strich abgrenzen möchte. Niemals. Diese Frauen sind meine Schwestern wie alle Frauen auch.

    Sondern ich sage das, weil es mich empört, wie bürgerliche Menschen über Prostitution denken. Ich kann mir nämlich gut vorstellen, wie der Mensch, der diesen Teaser gebaut hat, so vor sich hingedacht hat: „Oh, die erzählt aber krasse Sachen über Freier. Dass die so gewalttätig wären und so. Und dass Prostitution eigentlich Vergewaltigung ist. Und dass Freier brutal sind. Da war die hundertpro auf dem Strich!“

    Denn gewalttätige Freier, widerliche Freier, übergriffige Freier, brutale Freier, die gibt es in der Vorstellung der bürgerlichen Gesellschaft in Deutschland nur auf dem Strich. Oder in „den Kaschemmen“, in „heruntergekommenen illegalen Bordellen“, in „schmuddeligen Ecken“.

    In Deutschland kapiert die Mehrheitsgesellschaft nicht, dass das Problem der Prostitution nicht ist, dass sie manchmal am Waldrand, in abgewrackten Wohnmobilen oder auf dem Elendsstrich stattfindet. Sondern dass das Problem an der Prostitution ist, dass kein Freier weiß, ob die Frau da freiwillig mit ihm Sex hat oder nicht. Bzw. wissen die meisten Freier genau, dass die Frauen das nicht freiwillig machen. Und genau das ist das Problem: Freier haben Sex mit einer Frau, von der sie entweder wissen, dass sie das eigentlich nicht möchte, oder aber von der sie nicht wissen, ob sie es möchte. Sie gehen also das Risiko ein, eine Vergewaltigung zu begehen. Sie sind Vergewaltiger.

    DAS ist das Problem.

    Nicht, ob die Prostituierte angemeldet ist. Ob das Bordellbett hübsch bezogen und fleckenfrei ist. Ob man keine Einstichstellen an der Frau sieht und keine blauen Flecken.

    Deutschland muss sich DRINGEND von seinem Bild einer hübschen, netten, angemeldeten, legalen, völlig problemfreien Prostitution in netten Bordellzimmern in behördlich genehmigten Puffs mit netten Puffpapis und supernetten, respektvollen Freiern verabschieden.

    Dieses Bild findet nirgendwo statt. Nir-gend-wo.

    Ich war nie auf dem Strich. Alle Freier, die ich beschreibe, habe ich im Escort und in Appartments kennengelernt. All die Gewalt, die ich in der Prostitution erlebt habe, fand in hübschen Wohnungen, in schicken Hotelzimmern statt.

    Denn Räume sind nicht das Problem.

    Freier sind es.

    Freier sind das Problem. Und zwar überall. Nicht nur auf dem Strich.