Thüringen soll eine Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution bekommen

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Thüringen, ein Bundesland, das keine einzige Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution hat, soll jetzt, fast 20 Jahre nach der Komplettlegalisierung durch das Prostitutionsgesetz 2002, eine Anlaufstelle für prostituierte Frauen bekommen.

Das ist gut. Aber auch bisschen spät, nicht wahr? Woran liegt das?

Gesellschaften, die Prostitution legalisieren und als Gewerbe behandeln, gehen davon aus, dass Prostitution “ein Job wie jeder andere” beziehungsweise eine “ganz normale Dienstleistung” ist. Wer aber einen ganz normalen Job hat, der hat doch keinen gesonderten Hilfebedarf – der braucht keine Beratung, Unterstützung, Hilfe, und der braucht auch keinen Support beim Ausstieg – und auch kein Ausstiegsprogramm. Kann ja einfach den Job wechseln! Friseurinnen, Ingenieurinnen, Fabrikarbeiterinnen, Biologinnen brauchen ja schließlich auch keine Ausstiegsprogramme – die wechseln einfach den Job.

Was die Verharmlosung von Prostitution als “normaler Beruf” übersieht, das sind:

– die körperliche, seelische und sexuelle Gewalt, die Prostituierten durch Freier täglich angetan wird und die ein Teil ihres “Berufs” ist

– das achtzehnfach erhöhte Risiko, Mordopfer zu werden

– die Ausbeutung durch Zuhälter, Bordellbetreiber

– die körperlichen Verletzungen, die durch Schläge, gewaltsame Penetration usw. entstehen

– die seelischen Traumata, die permanenter Sex mit Männern, mit denen man eigentlich keinen Sex haben will, entstehen

– die Notlagen, die Frauen erst in die Prostitution bringen: prekäre Situationen, Schulden, gewaltsame Partner, Allerinerziehendenschaft, rassistische Diskriminierung in den Herkunftsländern, unaufgearbeitete sexuelle Kindheitstraumata

Deutschland hat das noch nicht kapiert, das Prostitution sexuelle Gewalt gegen Frauen ist. Deswegen gibt es bei uns eben noch immer Bundesländer, die nicht mal eine Beratungsstelle, geschweige denn ein Ausstiegsprogramm, haben. Und die Beratungsstellen, die es gibt, haben auch manchmal den “Sexwork is work”-Ansatz.

Ich kenne das. Als ich aussteigen wollte, bin ich zu einer Anlaufstelle gegangen. Ich schilderte: meine fehlende Wohnung, meinen Zuhälter, den Drogenkonsum, der nötig war, um die Freier zu ertragen, den fehlenden Kontakt zu meiner Familie oder zu FreundInnen, den absoluten Mangel an Unterstützung, die Angst, den Druck, das Bedroht- und Verkauftwerden. Aber man sagte mir: “Wo ist denn das Problem, also, der Job ist nicht das Problem. Aber wenn SIE damit nicht zurechtkommen, dann gehen Sie doch einfach nicht mehr ins Bordell?”

Ich habe nie wieder um Hilfe gefragt.

Was wir hier brauchen, das ist die gesellschaftliche Erkenntnis:

Prostitution ist Gewalt.

Frauen in der Prostitution gehören unterstützt und entkriminalisiert.

Freier und Zuhälter sind Täter.

Frauen haben ein RECHT auf Hilfe, Alternativen und Ausstiegsprogramme!