Vor einiger Zeit habe ich mich der aufsuchenden Arbeit eines Vereins in meiner Stadt angeschlossen. Das bedeutet, ich gehe mit in die Bordelle. Wir bringen den Frauen kleine Geschenke mit, schwatzen ein bisschen mit ihnen, geben ihnen Kärtchen des Vereins, damit sie wissen, an wen sie sich wenden können, falls sie Hilfe brauchen.
Davor, in die Bordelle zu gehen, hatte ich lange Hemmungen. Angst, dass blöde Erinnerungen hochkommen. Aber mir war auch der Gedanke unangenehm, vor einer halbnackten Frau zu stehen, ich angezogen, sie in der Prostitution, ich nicht (mehr)… und wie verhält man sich da, „auf der anderen Seite“? Wäre ich die halbnackte Frau im Puff, wüsste ich zumindest, welche Rolle ich zu spielen hätte.
Jetzt war ich ein paar Mal mit. Und es fällt mir jedes Mal leichter. Manche Bordelle haben Türsteher. An denen vorbeizukommen, ist immer eine Herausforderung. Einige Bordellbetreiber wollen uns auch nicht dahaben.
Jedes Mal gehen mir Situationen nahe, hängen mir nach. Beim letzten Mal war es die Wut auf einen Freier, der der Frau ein Geschenkbeutelchen, das ich ihr gegeben hatte, aus der Hand nahm, es betrachtete und sagte: „Find ich gut, dass ihr das macht.“ Und ich dachte, ja, findste gut, dass wir hinter dir aufräumen, ne…
Oder die viel zu junge Asiatin, die so verängstigt war, dass sie gar nicht mit uns reden wollte.
Heute war es, dass eine Bulgarin zu Schichtbeginn um 21 Uhr schon so betrunken war, dass sie auf ihren hohen Schuhen kaum stehen konnte. Sie wird Freier bedienen bis früh um 6…
Was schön war heute, war, dass eine Frau mich tatsächlich vom letzten Mal wiedererkannt hat. Erst wusste sie nicht woher, aber als ihr einfiel, woher sie mich kannte, fing sie an zu strahlen. „Ja ja, du warst da, du hast Geschenke mitgebracht!“
Es ist gar nicht, dass man immer gleich tiefe Gespräche hat bei der aufsuchenden Arbeit.
Sondern was wichtig ist, ist dass man immer wiederkommt. Verlässlich ist. Nichts von den Frauen will. Erstmal nur gibt: kleine Geschenke, einen Schwatz, schau hier, es ist Weihnachten oder Ostern, wir haben an Dich gedacht.
Ich war immer fest überzeugt, wenn während meiner aktiven Zeit Frauen von der aufsuchenden Arbeit vor der Bordelltür gestanden hätten, ich hätte sie ihnen vor lauter Schiss und Überforderung wieder zugeschlagen.
Aber wer weiss – wenn jemand immer wiedergekommen wäre…? Immer wieder aufgetaucht wäre? Verlässlich und ohne was zu wollen?
Schau hier, wir haben an Dich gedacht, und wir kommen jetzt einmal im Monat…
Naja, wer weiss, jedenfalls – schöne Ostern. 💝
Eure Huschke