“Wenn du Prostitution schlimm fandst, warst Du halt die Falsche für den Job”

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Eins der widerlichsten Dinge, die ich als Exprostituierte regelmässig zu hören bekomme, sind Äußerungen wie diese – hier von einer „Sexarbeiterin“, die sich für eine Legalisierung der Prostitution einsetzt: wenn ich Prostitution als so schlimm empfunden hätte, sei ich einfach die Falsche für den Job.

Äußerungen wie “Prostitution kann kein Missbrauch sein, denn du hast dazu ja gesagt” oder “aber du konntest dir deine Kunden doch aussuchen” oder “wenn es dir damit schlecht ging, warst du halt die Falsche für den Job” sind einfach ganz großer Mist.

Ich möchte kurz analysieren, warum diese Aussagen Bullshit sind, vor allem aber diese hier in dem Tweet.

1. Die Aussage, ich sei unvermögend, quasi ungeeignet für „den Job“, also für Prostitution, stellt die Illusion her, es gäbe kein Problem mit Prostitution, sondern Frauen wie ich seien das Problem und Prostitution einfach der „falsche Job“ für uns. Aber wenn Frauen und Mädchen Prostitution als traumatisierend erleben, dann liegt das nicht an den Frauen und Mädchen. Sondern an der Prostitution. Studien zeigen doch deutlich, dass Frauen und Mädchen, die in der Prostitution waren, Posttraumatische Belastungsstörungen aufweisen, die ähnlich heftig sind wie die von Leuten, die gefoltert worden sind – und warum? Weil Prostitution sexuelle Folter IST. Liebe Leserin, kannst Du Dir für Dich vorstellen, mit einem Mann zu schlafen – KONKRET: dir übers Gesicht lecken, in die Brustwarzen beißen, den Finger in die Vagina rammen, Dich mit Sperma bekleckern zu lassen – dem gegenüber Du Widerwillen und Ekel verspürst? Kannst DU das? Nein? Warum also meinst Du, es gäbe eine Gruppe von Frauen, denen das nichts ausmachen würde? Wir sind Frauen genau wie DU. Wir empfinden nicht anders als Du. Der einzige Unterschied besteht in unseren Lebensumständen.



2. Prostitution ist sexueller Missbrauch. Denn der Freier will Sex. Die Prostituierte will eigentlich keinen Sex mit diesem Mann. Sie braucht aber das Geld. Also duldet sie den Sex, aber sie möchte ihn nicht. Es ist unerwünschter Sex. Und unerwünschter Sex ist Missbrauch. IMMER. Es ist nicht relevant, ob dafür Geldscheine hingelegt werden. Würde Geld etwas daran ändern, ob etwas sexuelle Gewalt ist oder nicht, könnten wir jedem Vergewaltigungsopfer ein paar Scheine hinwerfen und die Gewalt wäre weg, hui, es war keine Vergewaltigung mehr. So läuft das aber nicht. Alle wissen das.

3. Bitte hört auf mit dieser verkürzten Kapitalismuskritik. „Ich kann mir meine Kunden aussuchen“, „ich kann mir die Praktiken aussuchen“, „ich kann Nein sagen“. Das ist alles verkürzte ökonomische Denke. Prostitution ist Sexualität, die verkauft wird. Damit unterliegt sie den Bedingungen des Marktes. Und der wird beeinflusst von Nachfrage und den Kundenwünschen. Ergo: ja, Du kannst vielleicht ablehnen. Aber dann haste halt keine Kohle. So funktioniert der Markt. Du kannst sicher sagen, dass Du nicht ohne Gummi bläst. Kein anal anbietest. Küssen ablehnst. Mal schauen, wie lange Du dann mit Prostitution Geld verdienen kannst, das Du ja so dringend brauchst. Prostitution ist kein sexueller Akt, der völlig außerhalb jedweder Umstände und Machtstrukturen stattfindet. Es ist nicht relevant, ob einzelne Prostituierte den ein oder anderen Freier ablehnen können oder nicht. Es geht darum, dass Prostitution verkapitalisierte und damit per se unfreie Sexualität ist, die Bedingungen unterliegt, und das bedeutet: dem Markt.

4. Ein „JA“, das ich gebe, weil ich dafür bezahlt werde, ist kein JA. Es ist ein JA zum Geld. Es ist kein JA zum Sex. Sexueller Konsens ist nicht käuflich. Sexualität, die dem Markt unterliegt, ist niemals frei. Ein JA, das aus Mangel an Alternativen gegeben wird, ist und bleibt ein Nein. Ein JA, das gegeben wird, weil ein Nein negative Folgen hätte (Schläge vom Zuhälter, oder halt nichts zu essen für die Kindern, weil keine Kohle, oder oder oder… ) ist kein JA. Es ist und bleibt ein Nein, für immer.

Daher: liebe Vertreterin der Pro-Prostitutions-Lobby, danke für das Victimblaming an meiner Person. Es hat dazu geführt, dass ich jetzt mal ein paar Dinge klarstellen konnte.