„Wenn wir das Nordische Modell einführen, dann wandert das alles in den Untergrund“

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… das ist ein Einwand, den ich oft höre. Aber stimmt er auch?

Zunächst mal: was soll das sein, der „Untergrund“? Oft wird behauptet, Prostitution sein dann für Polizei und Sozialarbeiterinnen nicht mehr auffindbar. Prostitution würde quasi verschwinden, in „dunkle Ecken“. Aussagen von Polizei und Sozialarbeiterinnen in Schweden zeigen aber, dass das nicht so ist. Die Polizei hat einen sehr guten Überblick darüber, wo Prostitution stattfindet – und auch die Sozialdienste und Beratungsstellen berichten, keine Probleme bei der aufsuchenden Arbeit zu haben.

Woran liegt das?

Es liegt daran, dass es bei der Prostitution keinen Untergrund geben kann. Denn Prostitution lebt davon, dass die Freier sie finden können. Freier sind, wir erinnern uns, ganz normale Männer. Die zum Teil nicht mal groß Zeit haben zu recherchieren. In Schweden findet immer noch Prostitution statt, das ist klar. Aber der Markt hat sich erheblich verringert und verkleinert, es ist kein Vergleich mit Deutschland. Wenn wir uns jetzt also vorstellen, ein Freier fliegt von Oslo nach Stockholm und möchte dort, wenn auch gesetzeswidrig, eine prostituierte Frau auf sein Hotelzimmer bestellen.

Hat der dann Zeit, sich wochenlang in den „dunklen Ecken“ der Stadt umzuhören? Fremden, unseriösen Gestalten auf der Straße Fragen zuzuflüstern? Sich tagelang umzuhören? Quatsch. Hat er nicht und braucht er nicht. Er WIRD rausfinden, wo Prostitution stattfindet. Und wenn Freier das können – kann es jeder und jede. Polizistinnen und Sozialarbeiter sind nicht dümmer als Freier. Und sie haben ebenfalls einen Internetzugang – Prostitution ist auffindbar.

Ich kann Dir jetzt, heute, sofort, mit meinem Smartphone zeigen, wo in Stockholm Prostitution stattfindet. Es gibt keinen Untergrund – wer Prostitution finden will, findet sie. Ok, es werden keine Leuchtreklamen mehr vor offiziellen Bordellen hängen. Keine Plakate mehr, auf denen steht, wo das nächste Megabordell steht. Keine Taxiwerbung mehr mit halbnackten, blutjungen, verkäuflichen Frauen drauf. Wer wird das vermissen? Ich nicht.

Das Zweite, was mit diesem Spruch gemeint ist, ist die Illegalität. Es würde alles „in die Illegalität“ rutschen und wäre dann nicht mehr kontrollierbar und noch unsicherer. Das ist ein merkwürdiges Argument. Denn damit könnten wir ja im Umkehrschluss Sachen sicherer machen, wenn wir sie legal machen. Dann könnten wir Vergewaltigung, Kindesmissbrauch und alles mögliche „sicherer“ machen: indem wir es aus der Illegalität holen.

Das ist totaler Quatsch. Außerdem handelt im Nordischen Modell bloß ein Part illegal: der Freier. Die prostituierte Frau handelt nicht illegal: sie begeht keine Straftat. Sie kann sich jederzeit an die Polizei wenden. Sie ist nicht erpressbar. Es stimmt, dass Freier dann nicht mehr unbedingt vor aller Leuten Augen Prostituierte buchen oder ansprechen. Sie werden vorsichtiger. Sie wollen nicht erwischt werden, wollen jedes Risiko für sich minimieren – und verhalten sich dementsprechend.

Prostitution ist eine Hierarchie: zahlender Mann oben, sich prostituierende Frau unten. Dadurch, dass der Freier sich strafbar macht, die Frau aber nicht, verringert man den Machtabstand zumindest ein kleines bisschen. Und „unsicher“ ist Prostitution in Deutschland: wo der Menschenhandel, die Zwangsprostitution in legalen Bordellen stattfinden, Morde an Frauen auf legalen Straßenstrichs, unzählige Vergewaltigungen, Misshandlungen usw.

Es gibt keinen Untergrund. Und bei keiner anderen Gewalttat würden wir sagen: wir dürfen diese Gewalt nicht verbieten, sonst wird sie unsichtbar und noch gefährlicher. Partnerschaftliche Gewalt in der Ehe, die Frau wird geschlagen – nie würden wir sagen, komm, wir machen das jetzt sicherer, indem wir legalisieren, dass der Mann die Frau schlagen darf.

Verdrehte Logik. Fallt nicht drauf rein!

(c) Huschke Mau