Gestern war ich wieder mit meiner örtlichen Bezugsgruppe zur aufsuchenden Arbeit in Bordellen. Und ich möchte heute über ein Gefühl reden, das dabei immer wieder in mir hochkocht: Wut. Heiße, ohnmächtige, verzweifelte, kochende Wut.
Dass man getroffen, erschüttert, traurig, verzweifelt ist nach der aufsuchenden Arbeit, dass einem das Herz wehtut, das wird jede verstehen.
Aber die Wut. Was macht man mit der Wut?
Gestern haben wir nur eine einzige Frau erreicht. Es war ein Bordell in einem klitzekleinen Haus neben einer Tankstelle. Zwischen dem Bordell und der Tankstelle parkten Autos, teilweise mit jungen Männern drin, laufender Motor, wummernde Bässe, und ich dachte: Die sind auf dem Weg zu irgendeiner Party und warten gerade auf ihren Kumpel da drinnen, der nur nochmal schnell b*msen wollte. Und sie denken nichts weiter als: hoffentlich ist der bald fertig.
Und ich hätte ihnen schon da am liebsten den Seitenspiegel abgetreten.
Die Frau, die uns geöffnet hat, hat uns sofort reingebeten. Dann standen wir so im Flur rum. Sie hatte nicht viel an, Schlappen und einen Rock und einen LeopardenBH. Wir haben sie gefragt, wie sie heißt, und wo sie herkommt, und sie kam aus Litauen. Sie sprach kaum deutsch, es war mühsam. Wir haben ihr unsere Geschenke gegeben (Kondome, Tampons, Gesichtsmaske, Schokolade, Handcreme – so Kleinkram) und unsere Karte und ihr bedeutet: wenn irgendwas ist, rufst du uns an.
Als wir sie fragten, ob sie noch da sein wird, wenn wir in 4 Wochen wiederkommen, konnte sie nicht sagen, wo sie dann sein wird.
Vielleicht in einer anderen Stadt. Vielleicht in einem anderen Land.
Sie war so verschüchtert. Das war nicht wegen uns. Sie kannte das schon, dass Frauen kommen, Kleinigkeiten mitbringen, fragen wie es läuft. Sie war allgemein eingeschüchtert. Man hat gemerkt, dass die Angst ihr täglicher Begleiter ist. Sie konnte uns nicht mal in die Augen sehen, als sie mit uns sprach.
Mein erster Impuls war: Liebe und eine große Traurigkeit. Und dann: Wut. Ich hatte so eine Wut, als wir da raus sind. Ich hab gedacht, ich muss jetzt was kaputtmachen oder jemanden hauen, so kam es über mich. Denn wie, frage ich mich, kann man diese Frau sehen, halbnackt, eingeschüchtert, verängstigt, wie kann man sie sehen und sich denken: so, da steck ich jetzt meinen Schw*nz rein? Wie kann man sie sehen und sagen: so, der baller ich jetzt mal eine richtige Ladung ins Gesicht!
WIE?!
Jeder normale Mensch schaut sie an und will einen Bademantel über sie werfen und sie beschützen.
Wie kann man so draufsein, mit ihr aufs Zimmer zu gehen und das auszunutzen und dabei noch zu kommen? Was für ein Level an Soziopathie ist das?!
Ich ekel mich so. Sie planen, sich einen schönen Abend mit Kumpels zu machen. Vor der Party nochmal schnell tanken gehen, Kippen holen, einen Schokoriegel und nochmal kurz b*msen gehen. Druck ablassen. Und wenn sie fertig sind, nach 20 Minuten, steigen sie zu ihren Kumpels in das Auto mit dem laufenden Motor, sie werfen das Papier des Schokoriegels weg, so, wie sie die Frau nach Benutzung weggeworfen haben, ein Gebrauchsartikel. Und los geht’s. Mal eben eine Frau missbraucht, kein Thema, weiter geht’s, hoffentlich ist der DJ heute gut, hoffentlich reichen die Kippen und ich hab den Energydrink vergessen.
Jeder vierte deutsche Mann geht regelmäßig ins Bordell. Und ich ekel mich so. Wie soll man mit diesen Männern zusammenleben? Wie soll das gehen? Sie atmen neben uns in der Straßenbahn, sitzen vielleicht Zuhause bei uns auf dem Sofa, sind eventuell die Väter unserer Kinder. Ich könnte kotzen. Wie sollen wir mit ihnen zusammenleben, wie soll das möglich sein? Manchmal verstehe ich, dass die Masse der Menschen in Deutschland das Thema Freiertum verdrängt. Es wäre nicht aushaltbar, sich bewußt zu halten, was hier passiert. Und dass wir mit Tätern zusammenleben.
Die sich freuen, dass irgendein Zuhälter Elena aus Litauen so dermaßen bedroht, verprügelt, verg*waltigt und einschüchtert, dass sie selbst endlich ihren Schw*nz reinstecken können, ohne sich die Mühe machen zu müssen, auch noch zusätzliche körperliche Gewalt anzuwenden.
Es gibt diese eine irre Verschwörungstheorie, dass Menschen auf verschiedenen Planeten leben. Und dass die Erde für diejenigen Menschen ist, die im letzten Leben was eklatant falschgemacht haben. Die Erde als Strafplanet. Manchmal denke ich, da muss was dran sein.
Anders kann ich mir nicht erklären, wieso wir mit solchen Monstern zusammenleben und dann noch so tun sollen, als wäre alles schick.
© Huschke Mau