In Thüringen ist eine Frau aus der Prostitution zusammengeschlagen
worden. Der Täter war ihr Freier. Angeblich war er mit den “Leistungen”,
die sie geliefert hat, nicht einverstanden.
Wir vom Netzwerk Ella sind alle Frauen aus der Prostitution. Und wir kennen alle diese Angst vor Übergriffen durch Freier.
Davon mal abgesehen, dass Prostitution an sich schon ein sexueller
Übergriff ist – denn es werden sexuellen Handlungen an und mit einer
Person durchgeführt, die den Sex nicht will, sondern das Geld braucht -,
neigen Freier generell dazu, Grenzen zu übertreten.
Da hat man schnell mal den Finger im Po, obwohl man gesagt hat, dass anal ein Tabu ist.
Da hat man schnell mal die Zunge im Hals, obwohl man gesagt hat, dass man nicht küsst.
Da liegt schnell mal die Hand auf dem Hals, obwohl man gesagt hat, dass man keine Würgespiele macht.
Warum ist das so?
Es ist so, weil Freier Männer sind, die glauben, sie hätten ein Recht
auf Sex. Es sei etwas, dass ihnen geliefert werden müsse. So, als könnte
eine Frau einem Mann Sex geben ohne beteiligt zu sein, so, wie man
Leuten, die einen Döner kaufen, das Essen über die Theke reicht. So, als
sei ein Blowjob eine Dienstleistung.
Sex ist aber keine
Dienstleistung. Sonst könnten sich die Freier ja den Blowjob ja auch von
einem 60-jährigen Mann holen, der auf ALG2 ist und Flaschen sammelt.
Den fragen sie aber komischerweise nie nach so einer „Dienstleistung“.
Aber wenn es eine wäre, wäre das doch möglich, Dienstleistung ist
Dienstleistung, oder?
In Wirklichkeit ist Prostitution
Frauenkauf. Es wird ein bestimmter Körper gekauft. Und Freier wissen
das, da können sie von Dienstleistungen reden, wie sie wollen. Sie
wissen, dass sie nicht wie auf einer Speisekarte auswählen, welche
Praktiken sie gereicht bekommen wollen. Sie wissen, dass sie eine Frau
kaufen, auf Zeit. Deswegen fragen viele Freier auch: „Was kostest du?“
statt „Was kostet es bei dir?“
Freier sind Männer, die denken, dass
Sex ihnen zusteht. Und insgeheim sind sie sauer darüber, dass sie dafür
noch bezahlen müssen. Wo sie doch so gut im Bett sind. Wo die Hure doch
auch was davon hat. Wo sie doch der nette Freier sind. Oder überhaupt
geduscht und das.
Und weil sie insgeheim nicht einsehen, für das,
was ihnen zusteht, auch noch bezahlen zu müssen, versuchen sie, so viel
wie möglich rauszuholen. Sie beuten Frauen sexuell aus. In ihren Augen
haben sie zwar offiziell für eine Dienstleistung bezahlt, aber sie
fühlen sich, als hätten sie die Frau gekauft. Und da ist jedes Tabu
etwas, das ihnen zu Unrecht vorenthalten wird.
Und das geht natürlich nicht.
Freier sind Gewalttäter. Die Gewalttat beginnt dort, wo sie mit einer Frau schlafen, die das eigentlich nicht will. Die eigentlich nur die Kohle will.
Freier sind Gewalttäter. Die Gewalt geht weiter dort, wo sie ihre öknomische Überlegenheit nutzen, sich Zugang zu einer Frau zu kaufen, die ohne diesen Machtunterschied nie mit ihnen schlafen wollen würde.
Freier sind Gewalttäter. Vom Akt des Kaufens von „sexuellen Dienstleistungen“ zum weiteren Performen eines sexuellen Aktes mit einer Person, die deutlich Unlust zeigt, die sichtbar ihren Ekel und Unwillen unterdrückt, die vielleicht weint oder Schmerzen hat, ist es kein großer Schritt.
Freier sind Gewalttäter. Wenn sie diese Grenzen überschritten haben, ist es nicht mehr weit dazu, mehr einzufordern als ausgemacht war. Schliesslich hat man bezahlt. In ihren Augen mehr als genug. In ihren Augen für mehr als ausgemacht war.
Freier sind Gewalttäter. Von den sexuellen Praktiken, die nicht abgesprochen sind, zu noch mehr Gewalt, zu Schlägen usw. überzugehen erfordert nicht das Überwinden einer großen Hemmschwelle.
Und von da ist es nicht mehr weit zu Mord.
Freier sind Männer, die so sehr denken, sie hätten ein recht auf Sex, dass sie die Person, die daran teilnimmt, weil sie sie bezahlt haben, nicht mehr als Mensch wahrnehmen. Als Menschen, der einen Willen hat und der Grenzen hat. Es ist ihnen egal. Sie haben bezahlt. Die andere Person zählt nicht mehr. Sie hat zu tun, was und wie sich die Freier das vorstellen – sonst gibt’s saures. In den Augen von Freiern schulden wir ihnen Sex, ob wir wollen oder nicht. Und wenn wir nicht abliefern wie gewünscht, hat das Konsequenzen – wie in diesem Fall.
Könnt ihr
euch vorstellen, wie es ist, mit einem Mann ins Bett zu gehen, nackt,
verletzlich, allein, der so aggressiv ist? Immer mehr fordert? Immer
mehr an die Grenzen geht? Dessen Handlungen man immer mehr abwehren
muss, ohne ihn aber zu verärgern?
Ein Job wie jeder andere? Ganz sicher nicht.
Dieser Freier hier ist keine Ausnahme. Er ist nicht „das schwarze
Schaf“ oder „das faule Ei im Korb“. Er hat konsequent weitergeführt, was
seine Freierdenke in seinem Hirn angelegt hat.
Über 80 Morde an Frauen in der Prostitution seit 2002. Die meisten verübt durch Freier.
Fakt ist: Prostitution zu nutzen bedeutet, es okay zu finden, dass Sex
gemacht wird, obwohl nur einer den Sex wirklich will. Prostitution zu
nutzen bedeutet, zu glauben, es gäbe für Männer ein Recht auf Sex.
Prostitution zu nutzen bedeutet, unter „Sex“ zu verstehen, dass alles
sich auf die Wünsche des Mannes ausrichtet.
Brauchen wir das im Jahr 2019, wo wir über „enthusiastischen Konsens“ reden, wirklich noch? Nein. Haben wir nie gebraucht.
Freiertum ist Gewalt und führt zu noch mehr Gewalt.
Alles Gute an die Kollegin!