Abolitionistinnen als „Moralpolizei“

    Abolitionistinnen, das sind seit dem Kaiserreich Frauen, die Prostitution als frauenverachtend ablehnen und sie abschaffen wollen. Dabei sind sie solidarisch mit Frauen und Mädchen in der Prostitution. Sie kritisieren das Handeln der Freier, also, sich eine Frau für Sex zu kaufen, und wollen dieses Verhalten verboten sehen.

    Immer wieder taucht in der Debatte der Vorwurf an uns auf, wir seien ja nur „moralisch entrüstet“. Von einer „Moralpolizei“, gar einer „Sexpolizei“ wird da geschwurbelt.

    Was steckt dahinter? Das möchte ich gern dekonstruieren.

    Zunächst mal: die Behauptung, „moralisch“ zu denken und zu handeln, kann eigentlich gar kein Vorwurf sein. Denn moralisch zu denken und zu handeln, macht uns zu Menschen. Jede einzelne unserer Handlungen und Überzeugungen ist moralisch.

    Moralisch handeln wir, wenn wir als Gesellschaft befinden, dass man keinen anderen Menschen töten darf. Dass man keinen anderen Menschen schlagen darf. Dass Vergewaltigungen nicht okay sind, ebenso wenig wie Kindesmissbrauch, Kindesmisshandlung. Oder Diebstahl, Betrug usw.

    Moralisch zu denken und zu handeln ist dem Menschen immanent. Es macht den Menschen zum Menschen und die Gesellschaft zu einer Gemeinschaft von Menschen, die miteinander leben können.

    Warum wird der Vorwurf „moralisch“ zu sein, also ausgerechnet in der Prostitutionsdebatte auf?

    Weil das Wort „Moral“ eigentlich nicht gemeint ist.

    Was Leute, die diesen Vorwurf nutzen, wirklich meinen, das ist: „prüde“.

    Sie wollen uns damit diffamieren als Frauen, die „sexuell frustriert“ sind. Die sexuelle Hemmungen haben. Die Schnappatmung kriegen, wenn sie das Wort „Sex“ hören. Die Sex „unanständig“, „unrein“ finden. Die „sex-feindlich“ sind. Und sie meinen, dass wir den Mund halten, wenn sie uns so darstellen.

    Aber in Wirklichkeit ist es doch so:

    Prostitution, das ist verkapitalisierte Sexualität. Sex als Ware, das bedeutet, Sex unterliegt den Marktbedingungen. Sex, der Marktbedingungen unterliegt, kann nicht wirklich frei sein.

    Doch genau das wollen wir. Denn wir wissen: Frauenbefreiung geht nur über die Befreiung der weiblichen Sexualität.

    In der Prostitution ist das nicht gegeben. Denn die weibliche Sexualität ist dort eine Ware. Sie wird erzwungen – vom Trauma, von finanziellen Notlagen, von Zuhältern. Sie findet ohne Konsens statt. Freier sind Täter.

    Und jetzt überlegen wir mal hart: WER genau findet Sex ohne Konsens „prüde“? Richtig: Menschen, die Sex OHNE Konsens gut finden. Menschen, die Vergewaltigung auch als „Sex“ bezeichnen würden. Im Klartext: Täter.

    Prüde in seiner schlimmsten Tradition, das sind Menschen, die finden, dass erzwungener Sex, Sex ohne Konsens, aus Notlagen erpresster Sex etwas Gutes ist. Die finden, dass weibliche Sexualität der der Männer untergeordnet sein sollte. Und etwas, das Frauen abzuliefern und auf das Männer ein Anrecht haben. Weil sie davon profitieren. Weil sie auf der Täterseite stehen.

    Abolitionistinnen sind Frauen, die wollen, dass Sex nur mit Konsens stattfindet. Die Sexualität frei gelebt sehen wollen und selbstbestimmt. Die wollen, dass alle, die an dem Sex beteiligt sind, diese auch wirklich wollen und Lust drauf und dabei haben. Das ist das genaue Gegenteil von prüde.

    Der Vorwurf der „prüden Moralpolizei“ trifft uns Abolitionistinnen also nicht. Darüber können wir nur lachen. Und wer solche Vorwürfe nötig hat, in dem wohnt eine unfassbare Angst davor, dass Frauen eine selbstbestimmte, freie Sexualität leben dürfen.

    Warum?

    Weil er weiß, dass er keinen Sex mehr hätte, wenn er nicht Frauen ausnutzen, erpressen und zwingen dürfte.

    Denkt da gern dran, wenn euch das nächste Mal jemand als „Moralpolizei“ bezeichnet. J

    © Huschke Mau