Willkommen in Katzachstan – Eine Liebeserklärung an mein Katerchen

     

    Liebstes Katerchen! Heute hast Du Geburtstag. Und weil Du schon alles hast, dachte ich mir, ich schreibe Dir einen Text. Aber sicherheitshalber gibt’s danach natürlich noch ein Extraschmus mit vielen leckeren Nommies.

    Vor 13 Jahren bist Du zu mir gekommen, zu einer Zeit, als es mir wahnsinnig dreckig ging. Ich war mit 17 von Zuhause weggelaufen, durch das soziale Netz gefallen und im Bordell gelandet. Ich nahm Drogen, um das durchzustehen, ich hab sehr doll getrunken. Ich hatte kein richtiges Zuhause, weil ich gerade frisch von dem Mann, der mich in die Prostitution eingeführt hatte, getrennt war und nun nach einer Zeit in Hotels bei einem merkwürdigen Freund der Puffmutter wohnte. Ich hatte keine sozialen Kontakte außerhalb des Puffs, zu meinen Eltern seit ich wegelaufen war eh nicht mehr. Ich war eine von den Prostituierten, bei denen nicht mal auffällt, wenn sie verschwinden. Weil keine(r) nachfragt oder überhaupt bemerkt, dass sie verschwunden sind. Ich war die wandelnde Selbstverletzung und so suizidal, dass ich mich nicht mal mehr umbringen konnte, weil ich dazu keine Kraft mehr hatte. Ich hab einfach gewartet, dass mich eines Tages mal eine Überdosis erwischt, ein Auto überfährt oder ein Freier „wegschafft“.

    Und dann kamst Du. In dem Puff, in dem ich gerade war, gab es eine Bordellchefin. Deren Sohn hatte einen Klassenkameraden, und dessen Katze hatte gerade Junge. Die galt es zu verteilen, also brachte der Sohn der Puffmutter eine Miezi mit heim: Dich. Aber die Puffmutter wollte Dich nicht, sie hatte Angst um ihr teures Ledersofa. Also schleppte sie Dich mit in den Puff und hielt Dich mir vor die Nase mit der Frage: „Willste den haben?“ Und ich hab Dich gesehen, kleines oranges Fellknäuel das Du warst, mit Deinen damals noch klatschblauen Glubschguggln, und ich wusste sofort, wie Du heisst und auch, dass Du zu mir gehörst. Gar keine Frage. (Und ich hab sofort geflennt, so gerührt war ich über Dich.) So haben wir uns das erste Mal gesehen. „Willkommen in Katzachstan – Eine Liebeserklärung an mein Katerchen“ weiterlesen

    Warum ist der Ausstieg aus der Prostitution so schwer?

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    Ab und zu werde ich gefragt, was denn den Ausstieg aus der Prostitution so schwer mache. Ich habe mehrere Jahre für den Ausstieg gebraucht, bin immer wieder zurück in die Prostitution – und es geht nicht nur mir so. Was den Ausstieg so schwer macht, ist die Komplexität der Problemlage. Als ich damals zu einer Beratungsstelle für Prostituierte ging um um Hilfe für den Ausstieg zu bitten, sagte man mir: „Wenn Sie das nicht mehr machen wollen, dann gehen Sie doch einfach nicht mehr ins Bordell!“ Aber so einfach ist es eben nicht.

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    Zum “Sexarbeits”-Positionspapier von Feminismus im Pott

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    Feminismus im Pott haben ein Positionspapier zu “Sexarbeit” herausgegeben, zu dem ich gerne was sagen würde:

    Late to the show, aber ich möchte als Betroffene auch gern meinen Senf dazugeben. Zunächst mal, schön dass ihr euch mit dem Thema auseinandersetzt und bei einer Sache gebe ich euch Recht, Stigmatisierung ist scheisse. Sie ist aber, das muss auch klar gesagt werden, nicht unser größtes Problem: das ist nämlich das, was die Freier uns (an-)tun. Ihr unterliegt hier halt einem groben Logikfehler, wenn ihr meint, Prostituierten zu helfen, indem ihr ein schöneres Wort findet für das was sie tun (müssen). Eine Userin hier hat sich die Mühe gemacht, einen Freierforenbericht zu posten, der berichtet über das, was im Freudenhaus Hase passiert, mit dem ihr euch verbündet habt um gegen Stigmatisierung von Prostituierten vorzugehen.

    In diesem Bericht wurde ganz klar ein „hatefuck“, eine Vergewaltigung, beschrieben. Sowas wird von euch einfach als „Schockposting“, mit dem ihr euch ja nicht auseinandersetzen müsst, beiseitegewischt. Warum eigentlich? Das ist genau das, was in der Prostitution geschieht. Ganz knallhart gesagt, die Prostituierte wird das nicht mal anzeigen können, schließlich war ja Sex gegen Geld ausgemacht, und dann ist er halt ein bisschen gröber ausgefallen als ausgemacht, was solls? So werden Polizei und Behörden darauf reagieren. Warum? Weil sie Prostitution an sich nicht als Gewalt definieren. Die meisten Prostituierten tun das aber. Die Mehrheit der Prostituierten leidet an Traumafolgestörungen. Das negiert ihr halt, indem ihr Prostitution „Sexarbeit“ nennt. Was da gepostet wurde, war kein Einzelfall, das ist ganz normaler Alltag für uns Prostituierte. Wie könnt ihr gleichzeitig sagen, ihr solidarisiert euch mit uns und andererseits wollt ihr euch nicht anschauen, was Prostitution eigentlich ist? Lest doch mal in den Freierforen nach, was „Sex gegen Geld“ wirklich bedeutet. Und fragt euch dann mal, ob „bezahlter Missbrauch“ nicht eine viel bessere Bezeichnung wäre.

    Nach eurer Definition von Sexarbeit – ihr wart ja noch so nett Prostitution aus finanzieller Not bzw. wegen Drogenabhängigkeit als Grauzone zu bezeichnen – gibt es in Deutschland vielleicht so hundert Sexarbeiterinnen. Alle eigenständig, selbstbestimmt, kommen mit ihrem Job klar. Aber was ist mit uns anderen Prostituierten? Wir sind mehrere hunderttausend allein in Deutschland. Ernsthaft, was ist mit uns? Solidarisiert ihr euch mit uns nicht? Gefällt euch nicht, was wir aus der Prostitution berichten? Ist euch das zu sehr „Schockbild“? Für uns ist es Alltag oder Alltag gewesen.
    Gegen das Stigma kann ohne die Abschaffung der Prostitution nicht vorgegangen werden. Prostitution und auch die Freier brauchen das Stigma der betroffenen Frauen, um sie herabzusetzen, zu verstecken, ihnen Gewalt anzutun. Prinzip Heilige und Hure. Es gibt keine Prostitution ohne Stigmatisierung.
    Es fehlt bei eurer Position halt leider auch der komplette gesellschaftliche Zusammenhang. Damit, dass ihr sagt „Prostitution ist unter den momentanen Herrschaftsverhältnissen halt gegendert, wie alles andere auch“ ist es nicht getan. In anderen Herrschaftsverhältnissen gäbe es nämlich keine Prostitution. Da wäre es nämlich verpönt, dass Sex als „Dienstleistung am Mann“ definiert ist, da wäre es verpönt, dass Männer sagen können, sie haben ein Anrecht auf Sex, da wäre es verpönt, ein Mindset zu haben, nach dem Frauen zur Benutzung gekauft werden und in dem nicht hinterfragt oder hingenommen wird, dass dies eben oft gegen den Willen der Frau geschieht. Was ist denn Freierdenke? Freierdenke ist, wenn ich sage, ich hab bezahlt, sie hat ja gesagt, damit kann mir egal sein, ob sie das freiwillig macht oder nicht, ob sie es mag oder nicht. Freierdenke ist, wenn ich sage, ich habe Lust auf Sex, ich kaufe mir jetzt jemanden, der mitmacht, dann lebe ich meinen Sex aus wie ich auf einem Schachbrett halt ein bisschen Schach spiele und meine Figuren tanzen lasse. Ist das eine Denke, deren weitere Verbreitung wir fördern wollen? Ich finde nicht.
    Außerdem fehlt in eurem Positionspapier komplett die Analyse der Wirkungsstrukturen von Prostitution. Es wird nie genug Frauen geben, die das freiwillig machen. Der größere Teil wird immer gezwungen werden müssen. Wenn ihr sagt, Prostitution soll als Sexarbeit anerkannt werden, führt das zu einer Denke, in der es gesellschaftlich akzeptiert ist, sich, wie ihr es nennen würdet „Sex-Dienste“ zu kaufen (nur dass bei den „Sex-Diensten“ halt irgendwo eine Frau dranhängt, die diese ganze Chose irgendwie von sich abspalten muss). Damit steigt die Nachfrage. Wie oft haben Freier zu mir gesagt „ich mach das halt, ist ja nicht verboten“? Wieviele Freier würden NICHT zu Prostituierten gehen, wenn es verboten wäre?
    Es ist schön, dass ihr hier immer wieder einige Beispiele von happy sexwörkern zeigt. Aber was ist mit dem Heer an Frauen, die unsichtbar hinter ihnen stehen? Die ausbaden müssen, was die gesellschaftlich anerkannte Aktivität des Freiertums angerichtet hat? Es gibt wahnsinnig viele Freier in Deutschland. 1,2 Millionen Männer gehen hier pro Tag zu Prostituierten. Und es werden immer mehr. Sollen die alle zu euren hundert häppy sexwörkern gehen? Schön wärs, aber wenn die Nachfrage steigt, steigt eben auch das Angebot. Freiwillig oder nicht.
    Mit „Sexarbeit ist Arbeit“-Denke steigert man: Nachfrage, Angebot und damit auch Zwangsprostitution und Menschenhandel. Das kann nicht das sein, was ihr im Sinn habt.
    Auf die Vereine, mit denen ihr euch da abgeht, will ich gar nicht näher eingehen. BordellbetreiberInnen, Leute, die sagen es gäbe gar keinen Menschenhandel, Leute, die sich freuen wenn HartzIV-Sanktionen ausgebaut werden, weil dann mehr Frauen in die Prostitution einsteigen. Dazu, dass ihr Freier total ausblendet, sag ich jetzt mal auch nichts, das wollt ihr augenscheinlich nicht wissen, dass Freier Täter sind. Prostitution kann nicht von Sexismus, Klassismus und Rassismus befreit werden, weil es ein System ist, dass genau auf den benannten Strukturen aufbaut und sie braucht und reproduziert.
    Freier sind Täter. Und sie sorgen für die Nachfrage. Die Lösung ist, diese zu verringern. Indem man sagt, was Freier tun und sie dafür zur Verantwortung zieht. Mit der Freierbestrafung, das wissen wir aus Schweden, sinkt der Menschenhandel. Sinkt die Gewalt gegen Frauen nicht nur in der Prostitution.
    Das ist für mich das wichtigere Feld des Kampfes, und nicht, dass ich bitte möchte dass mein Missbrauch als Arbeit definiert wird.

     

    (c) Huschke Mau