Prostitutionsgesetzgebung: Was ist das Nordische Modell?

    Das sogenannte „Nordische Modell“ (auch: abolitionistisches Modell, Gleichstellungsmodell) wurde zuerst in Schweden eingeführt, und zwar im Jahr 1999. Ihm ging jahrzehntelange Forschung voraus: Mitglieder der Regierungskommission stellten gängige Narrative in Frage, die besagten, Prostituierte seien schlecht, moralisch verkommen oder irgendwie „anders geboren“. 

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    „Wenn wir das Nordische Modell einführen, dann wandert das alles in den Untergrund“

      … das ist ein Einwand, den ich oft höre. Aber stimmt er auch?

      Zunächst mal: was soll das sein, der „Untergrund“? Oft wird behauptet, Prostitution sein dann für Polizei und Sozialarbeiterinnen nicht mehr auffindbar. Prostitution würde quasi verschwinden, in „dunkle Ecken“. Aussagen von Polizei und Sozialarbeiterinnen in Schweden zeigen aber, dass das nicht so ist. Die Polizei hat einen sehr guten Überblick darüber, wo Prostitution stattfindet – und auch die Sozialdienste und Beratungsstellen berichten, keine Probleme bei der aufsuchenden Arbeit zu haben.

      Woran liegt das?

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      Die Folgen einer legalisierenden & liberalen Prostitutionsgesetzgebung – Punkt 9: eine Gesellschaft, die abstumpft gegenüber Gewalt gegen Frauen

        Überall dort, wo Freiertum als für Männer okayes Verhalten und Prostitution als normaler Job hingestellt wird, stumpft die Gesellschaft ab, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. Das sehen wir z.B. in Deutschland.

        Man kann es gut daran sehen, wie in den Zeitungen über Prostitution berichtet wird. Da ist von Verharmlosungen (Bordelle als „Liebestempel“, Frauen als „Liebesdienerinnen“, Prostitution als „Liebesdienste“) bis zu anzüglichen Altherrenwitzen („Abstecher im Puff“, „Verkehr im Bordell geregelt“, „Bordell erregt die Gemüter“) alles dabei.

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        Abolitionistinnen als „Moralpolizei“

          Abolitionistinnen, das sind seit dem Kaiserreich Frauen, die Prostitution als frauenverachtend ablehnen und sie abschaffen wollen. Dabei sind sie solidarisch mit Frauen und Mädchen in der Prostitution. Sie kritisieren das Handeln der Freier, also, sich eine Frau für Sex zu kaufen, und wollen dieses Verhalten verboten sehen.

          Immer wieder taucht in der Debatte der Vorwurf an uns auf, wir seien ja nur „moralisch entrüstet“. Von einer „Moralpolizei“, gar einer „Sexpolizei“ wird da geschwurbelt.

          Was steckt dahinter? Das möchte ich gern dekonstruieren.

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          Impulsvortrag beim Fachgespräch zum Thema Prostitution für die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag am 19. September 2023

            Meine Damen und Herren, vielen Dank für die Einladung zum Fachgespräch. Ich bin sehr froh darüber, dass dieses wichtige Thema der Prostitution heute hier diskutiert werden wird. Ich sitze hier als Betroffene von Prostitution, aber auch als Expertin. Und ich soll heute darüber sprechen, ob das Prostitutionsgesetz von 2002 und das Prostitutionsschutzgesetz von 2017 gescheitert sind. Die kurze Antwort lautet: ja. Aber mir liegt noch mehr auf dem Herzen.

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            Was ist das Nordische Modell?

              Das Nordische Modell ist ein Maßnahmenpaket, und es besteht aus 5 Punkten:

              1. Der Anerkennung der Tatsache, dass Prostitution sexuelle Gewalt gegen Frauen ist und Gleichstellung verhindert.

              2. Der völligen Entkriminalisierung der prostituierten Frau.

              3. Ausstiegshilfen.

              4. Der Einführung der Freierbestrafung.

              5. Aufklärung über Prostitution, z.T. auch schon in der Schule.

              Das Nordische Modell wurde nach jahrzehntelanger Forschung und Rücksprache mit Betroffenen 1999 zuerst in Schweden implementiert. (Und mittlerweile auch in Norwegen, Island, Frankreich, Irland, Kanada und Israel.) Freiertum wird als Suchtkrankheit behandelt, auch für Freier gibt es Beratungsstellen.

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              Thüringen soll eine Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution bekommen

                Thüringen, ein Bundesland, das keine einzige Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution hat, soll jetzt, fast 20 Jahre nach der Komplettlegalisierung durch das Prostitutionsgesetz 2002, eine Anlaufstelle für prostituierte Frauen bekommen.

                Das ist gut. Aber auch bisschen spät, nicht wahr? Woran liegt das?

                Gesellschaften, die Prostitution legalisieren und als Gewerbe behandeln, gehen davon aus, dass Prostitution „ein Job wie jeder andere“ beziehungsweise eine „ganz normale Dienstleistung“ ist. Wer aber einen ganz normalen Job hat, der hat doch keinen gesonderten Hilfebedarf – der braucht keine Beratung, Unterstützung, Hilfe, und der braucht auch keinen Support beim Ausstieg – und auch kein Ausstiegsprogramm. Kann ja einfach den Job wechseln! Friseurinnen, Ingenieurinnen, Fabrikarbeiterinnen, Biologinnen brauchen ja schließlich auch keine Ausstiegsprogramme – die wechseln einfach den Job.

                Was die Verharmlosung von Prostitution als „normaler Beruf“ übersieht, das sind:

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                Über Überflüssigkeit und Esel in Brandenburg

                  Guten Morgen. 🙂Heute Nacht hat mir eine Vertreterin der Pro-Prostitutionslobby auf Twitter geschrieben: „Du arbeitest an Deiner eigenen Überflüssigkeit mit“, und normalerweise antworte ich nicht auf so einen Schmarrn, aber als ich vorhin im Bad stand und mir nach einer wegen Schlafstörungen durchwachten Nacht ein Gesicht und vor allem ein paar Augen gemalt habe, damit es wenigstens so aussieht, als wäre ich wach, hatte ich dann doch ein paar Gedanken dazu. Und diese möchte ich gerne mit euch teilen. 🙂

                  Zunächst: Ja, ich bin für das Nordische Modell, ich bin dafür, Prostitution abzuschaffen. Sex, der aus Geldknappheit und nicht aus Lust geschieht, finde ich scheiße, und Prostitution ist ein Mittel, Frauen zu unterdrücken. Und absolut will ich das abschaffen. Aber ich weiß auch: das Nordische Modell muss kritisch begleitet werden in seiner Umsetzung. Dafür müssen und werden wir Aktivistinnen auch nach seiner Einführung Sorge tragen.

                  Und nun zur „Überflüssigkeit“: Ich glaube nicht, dass es „überflüssige Menschen“ gibt. Es wundert mich aber nicht, dass so eine menschenverachtende Aussage von jemandem kommt, der die menschenverachtende Institution Prostitution für gut hält. Also reden wir lieber mal von „überflüssigem Aktivismus“ und tun so, als hätten wir das mit den überflüssigen Menschen überhört.

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                  Rassismus in der Prostitution: über die Fetischisierung von Ethnien durch Freier

                    Prostitution, das bedeutet, dass Männer als Täter agieren. Denn Freier zu sein heißt, mit einer Frau zu schlafen, von der man nicht weiß, ob sie den Sex eigentlich überhaupt wirklich will. Und das ist ganz klar problematisches sexuelles Verhalten.

                    Freier zeigen aber nicht nur den Willen dazu, Sex ohne Konsens zu haben, d.h., zu vergewaltigen. Sie agieren oft auch rassistisch. Denn Prostitution könnte nicht existieren, wenn es keinen Rassismus gäbe: die meisten Frauen, die die riesige Nachfrage nach käuflichem Sex befriedigen, kommen entweder aus prekären Schichten und / oder aus sehr armen Ländern, z.B. Bulgarien und Rumänien – z.B. im Fall von Romnjia (Roma-Frauen). Das bedeutet, sie haben rassistische Diskriminierung schon erlebt, bevor sie hergekommen sind, und oft ist Rassismus der Grund, warum sie außer der Prostitution kaum Optionen haben oder warum ihre Familien in Armut leben und sie in die Prostitution drängen.

                    Prostitution lebt aber nicht nur von Rassismus, es ist auch selbst Rassismus.

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                    Konditionierung und Prostitution

                      „Wenn eine Prostituierte nicht 24/7 eine Waffe am Kopf hat, gehe ich davon aus, sie macht das Ganze freiwillig, da sie an ihrer Situation ja etwas ändern könnte.“ – Das ist nur einer von vielen schlimmen Kommentaren, die ich so erhalte. Deswegen möchte ich heute über Konditionierung und Prostitution sprechen.

                      Frauen in der Prostitution sind Frauen, die auch schon vor dem Anschaffen Gewalt erlebt haben. Melissa Farley, eine us-amerikanische Psychologin, hat bei Befragungen unter anschaffenden Frauen herausgefunden, dass 49% der Prostituierten in ihrer Kindheit schwer geschlagen und 57% in der Kindheit sexuell missbraucht worden sind. Die Psychologin Sibylle Zumbeck nennt ähnliche Zahlen: 83% der Frauen in der Prostitution hätten ein Kindheitstrauma, sagt sie: 70% dadurch, Zeugin familiärer Gewalt geworden zu sein (z.B. wenn der Vater die Mutter prügelte), 65% dadurch, selber Opfer schwerer und schwerster Kindesmisshandlung geworden zu sein, und 48% dadurch, sexuellen Kindesmissbrauch erlebt zu haben.

                      Was machen diese Kindheitstraumata mit einem?

                      Schwere Gewalt erlebt zu haben – auch sexuelle Gewalt – kann einen Menschen darauf konditionieren, diese Gewalt (weiterhin) auszuhalten. Vor allem, wenn die Gewalthandlungen in der Kindheit stattgefunden haben, prägen sie einen Menschen zutiefst. Die Lehren, die missbrauchte und misshandelte Mädchen ziehen, sind:

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