Was braucht es in Sachen Prostitutionspolitik?

    Ich als Exprostituierte kann folgendes sagen:
    Wir können uns noch jahrelang daran abarbeiten, ob es irgendwo eine Prostituierte gibt, die, aus welchen Gründen auch immer, sagt, dass sie es freiwillig macht.
    Und dann können wir weiterhin jahrelang so tun, als würde das rechtfertigen, dass Prostitution als System existiert.
    Weiterhin jahrelang so tun, als würden wir nicht merken, dass Prostitution sexuelle Gewalt ist.
    Weiterhin jahrelang so tun, als wäre es okay, dass Frauen und Mädchen darauf reduziert werden, sexuelle Bedürfnisse von Männern zu befriedigen, unter Hinnahme psychischer, physischer und emotionaler Schaden.
    Weiterhin behaupten, der sexuelle Missbrauch wäre okay, bloss weil er kommerzialisiert ist – und irgendwer, und meistens sind es nicht wir prostituierten Frauen, Geld dafür bekommt.
    Wir können und sollten aber endlich den Fokus auf die Freier legen.
    Was machen Freier?
    Freier üben einen sexuellen Akt an Frauen und Mädchen aus, die ohne Entschädigung nicht mit ihnen schlafen würden. Warum die Entschädigung? Weil ein Schaden entsteht. Der Schaden ist: SEx mit jemandem haben zu müssen, mit dem man keinen Sex haben will. Was ist das? Doch nichts anderes als Vergewaltigung.
    Freier bekommen NATÜRLICH von uns zu hören, dass wir das gerne machen. Sie bezahlen uns ja dafür, dass wir sagen, dass wir es gerne tun! Aber was wirklich dahinter steckt, das wissen sie nicht – und sie wollen es nicht wissen. Sie werden nie, niemals, zu 100% sicherstellen können, dass sie gerade KEINE Zwangsprostituierte im Bett haben.
    Dieses Risiko nehmen sie in Kauf, weil ihnen ihre sexuelle Befriedigung wichtiger ist als die Frage, ob wir prostituierte Frauen diesen Sex wirklich wollen.
    Freier gehen bewusst und jedes Mal das Risiko ein, eine Vergewaltigung zu begehen.
    Freier sind Täter!
    Es geht so langsam voran. Ich weiss, dass es wehtut, hinzusehen. Jeden Tag gehen 1,2 Millionen Männer in Deutschland zu Prostituierten. Es sind eure Väter, Brüder, Ehemänner, Partner, Chefs, Arbeitskollegen. Niemand will sich vorstellen, dass die Männer, mit denen man täglich Umgang hat, heimlich so etwas tun. Aber viele von ihnen tun es eben. Wenn wir wegschauen, können wir weiter so tun, als wäre die Welt heil. Ich verstehe, dass das ein Verdrängungsmechanismus ist, der dem Selbstschutz dient.
    Wir wissen aber, dass der kommerzialisierte sexuelle Missbrauch in Deutschland existiert.
    Und an der Basis brodelt es.
    Politikerinnen und Politiker aller Parteien (außer der AfD, die braucht kein Mensch) sollten jetzt:

    „Was braucht es in Sachen Prostitutionspolitik?“ weiterlesen

    „Wenn wir das Nordische Modell einführen, wandert Prostitution in den Untergrund“ – eine kleine Aufklärung

      Bundesjustizministerin Christine Lambrecht warnt vor „Prostitution in dunklen Ecken“ und meint, die Einführung des Nordischen Modells sei keine Lösung, denn es gäbe nachher immer noch Prostitution – und mir als Frau aus der Prostitution geht bei solchen Aussagen so derbe die Hutschnur hoch.

      Eine kleine Aufklärung über „den Untergrund“ tut Not.

      Das erste ist: Das Nordische Modell beendet nicht die Existenz von Prostitution. Soweit ist das richtig. Es dezimiert sie aber, und zwar enorm. In Schweden geht die Prozentzahl der Freier, gemessen an der Gesamtbevölkerung, jedes jahr um 0,5 % runter und ist mittlerweile bei phänomenalen 7%. Davon können wir hier in Deutschland nur träumen – je nach Statistik ist es hier jeder 3. Mann, der geht, 90%, die schonmal im Bordell waren (was nicht heisst, dass sie es immer noch tun, auch einmalige Ausflüge ins Milieu gelten) oder 3 von 4 Männern, die schonmal Prostitution genutzt haben. Könnten wir das auf 7% Freier runterschrauben, wäre das schonmal ein massiver Fortschritt! Davon mal abgesehen: Die Einführung der Strafbarkeit von Mord hat auch nicht dafür gesorgt, dass es keine Morde mehr gibt. Uns allen ist aber ja wohl klar, dass es noch mehr Morde geben würde, wenn Mord nicht strafbar wäre, oder?

      „„Wenn wir das Nordische Modell einführen, wandert Prostitution in den Untergrund“ – eine kleine Aufklärung“ weiterlesen

      „Wenn wir das Nordische Modell einführen, nehmen wir behinderten Männern die einzige Möglichkeit, Sex zu haben“ – ist das so?

        Während meiner Zeit in der Prostitution hatte ich keinen einzigen behinderten Freier.
        Dennoch wird jetzt so getan, als würde die Einführung des Nordischen Modells in Deutschland massenhaft Behinderte diskriminieren, weil die dann keine Möglichkeit mehr hätten, Sex zu haben.
        Dazu kurz ein paar Worte.

        Erstens sind die meisten Freier nicht behindert. Sie sind nicht mal Männer, die „sonst nicht an Sex kommen“. Denn weit über die Hälfte der Freier lebt in einer Ehe oder Beziehung. Statistiken zeigen zudem, dass Freier selbst ausserhalb ihrer Prostitutionsnutzung viel mehr Sexualpartnerinnen haben als Männer, die nicht zu Prostituierten gehen. „Prostitution ist für Männer, die aus welchen Gründen auch immer sonst keinen Sex haben können“ – das ist also ein Argument, das so schon gar nicht zutrifft.

        „„Wenn wir das Nordische Modell einführen, nehmen wir behinderten Männern die einzige Möglichkeit, Sex zu haben“ – ist das so?“ weiterlesen

        Zwischen den Fronten

          Waaaaaah. Gerade macht Presseschau mal wieder überhaupt keinen Spass.
          Die FPÖ in Österreich möchte Asylbewerberinnen verbieten, mit Prostitution Geld zu verdienen, während ihr Verfahren noch läuft.

          Erstmal den Kopf aufräumen. Und dann feststellen: wir Frauen in und aus der Prostitution sind mal wieder die Gearschten. Aber von vorne.

          Österreich ist ein Land mit einer äusserst konservativen Prostitutionspolitik. Das bedeutet: Freier sein ist voll okay, Prostitution ist voll okay, Prostituierte sind pfui. Und weil sie pfui sind, müssen prostituierte Frauen dort alle 6 Wochen zu einer verpflichtenden medizinischen Untersuchung. Ja, ihr habt richtig gelesen: UNTERSUCHUNG. Nicht Beratung. UNTERSUCHUNG. Ja, das bedeutet: so richtig mit ab auf den Gynstuhl, Beine breit und drin rumfummeln. Unschön? Nicht nur das. Sondern ein klarer Verstoß gegen die Menschenwürde und gegen die körperliche Selbstbestimmung von Frauen. Und wenn ich mir das mal kurz erlauben darf: unsere werte CDU hier wollte genau das ins 2017 in Kraft getretene ProstSchG einschreiben. Denn augenscheinlich kommt es bei prostituierten Frauen auf einmal mehr Beinebreitmachen dann schon gar nicht mehr an. Aber wir wundern uns ja nicht jetzt, dass von Frauenfeinden frauenfeindliche Vorschläge kommen.
          Jedenfalls ist es in Österreich so, dass Asylbewerberinnen und Asylbewerber nicht arbeiten dürfen, während ihr Verfahren läuft. So weit, so scheisse. Aber prostituieren dürfen sie sich. So weit, so noch scheisserer. Es riecht nach Kolonialismus hier und nach einer fetten Kombi aus Rassismus und Frauenverachtung – die Arbeitsplätze dürfen AsylbewerberInnen keinem wegnehmen dürfen, gell, aber unseren weissen Herren die Schwänze lutschen, das geht. Passt schon.

          „Zwischen den Fronten“ weiterlesen

          Minderjährige in der Prostitution

            Während meiner Zeit in der Prostitution hat mich, selbst als nicht klar war, ob ich volljährig bin, NIE ein Freier gefragt, wie alt ich eigentlich WIRKLICH bin. Und auch nie, ob ich freiwillig hier bin. Bin ich damit ein Einzelfall?

            In Hamburg stehen zwei Männer vor Gericht.
            Sie haben einem Mann ein 15-jähriges Mädchen „abgekauft“. Auch dieser hatte es zur Prostitution gezwungen, es ist nicht klar, wie lange schon.
            Dann haben sie das Mädchen an Freier vermittelt. Ihre Einnahmen hat sie abgeben müssen, um ihre „Schulden“ ( = ihren Einkaufspreis) bei ihren neuen Zuhältern abarbeiten zu müssen.
            Schliesslich hat sich die Polizei verdeckt auf eine der Anzeigen gemeldet, in denen sie als frisch 18 geworden beworben wurde und liess die Sache hochgehen.

            „Minderjährige in der Prostitution“ weiterlesen

            Gewalt in der Prostitution

              In Thüringen ist eine Frau aus der Prostitution zusammengeschlagen worden. Der Täter war ihr Freier. Angeblich war er mit den „Leistungen“, die sie geliefert hat, nicht einverstanden.
              Wir vom Netzwerk Ella sind alle Frauen aus der Prostitution. Und wir kennen alle diese Angst vor Übergriffen durch Freier.
              Davon mal abgesehen, dass Prostitution an sich schon ein sexueller Übergriff ist – denn es werden sexuellen Handlungen an und mit einer Person durchgeführt, die den Sex nicht will, sondern das Geld braucht -, neigen Freier generell dazu, Grenzen zu übertreten.

              Da hat man schnell mal den Finger im Po, obwohl man gesagt hat, dass anal ein Tabu ist.
              Da hat man schnell mal die Zunge im Hals, obwohl man gesagt hat, dass man nicht küsst.
              Da liegt schnell mal die Hand auf dem Hals, obwohl man gesagt hat, dass man keine Würgespiele macht.

              Warum ist das so?

              „Gewalt in der Prostitution“ weiterlesen

              Wenn Freier einen darüber belehren, wie Prostitution wirklich ist…

                Ich als Exprostituierte, die sich für die Einführung der Freierbestrafung in Deutschland einsetzt und die offen darüber spricht, wie Prostitution so ist, bekomme andauernd Zuschriften von Freiern, die mich davon überzeugen wollen, dass es „nicht so ist“, wie ich es erlebt habe. Eigentlich veröffentliche ich die nicht, aber heute habe ich mich doch mal dazu entschlossen, damit ihr mal einen Einblick bekommt in die Art, wie Freier denken. Geschrieben hat mir einer aus der Kategorie, die wir im Bordell „Liebeskasper“ genannt haben. Er ist einer von den „netten Freiern“. Aber ist er deswegen harmlos?

                Das hier ist seine Mail:

                „Wenn Freier einen darüber belehren, wie Prostitution wirklich ist…“ weiterlesen

                Freiwilligkeit und Prostitution

                  Als Exprostituierte bin ich oft müde davon, zum hundertsten Mal ausdiskutieren zu müssen, ob Prostitution freiwillig ist. Denn die Frage nach dem Existenzrecht von Prostitution hängt nicht davon ab, ob es irgendwo eine gibt, die es „freiwillig“ macht.

                  Wir brauchen mehr politische Analyse und weniger Fokusverschiebung auf die, die durch die Prostitution in der handlungsbeschränkteren Lage sind (das sind wir prostituierten Frauen). Prostitution wird nicht dadurch okay, dass irgendwo irgendeine sagt, dass sie es „freiwillig“ tut, genauso wenig, wie partnerschaftliche Gewalt dadurch okay wird, dass eine Frau „freiwillig“ bei ihrem schlagenden Mann bleibt.

                  Diese Konzentration auf das „ja“ der Frau erinnert an Victimblaming. Wir brauchen mehr politische Analyse, wir brauchen einen Blick darauf, in welchen UMSTÄNDEN das „JA“ gegeben wurde, und dann sehen wir: Ein „Ja“, das gegeben wird, weil ein „Nein“ hiesse, negative Konsequenzen zu tragen (nichts zu essen, kein Geld für die Miete, Schläge) kann kein Konsens sein.
                  Abgesehen von der politischen Analyse fehlt mir auch oft der Blick auf die Freier. Warum wird andauernd das Verhalten derer, die sich prostituieren, kritisiert und zum 100. Mal durchgekaut? Wir sind doch schon lange an dem Punkt, an dem wir wissen, was Frauen dazu bringt, sich zu prostituieren.
                  Drehen wir doch den Spieß mal um und betrachten die Freier. Während man einer Frau sehr wohl zugestehen muss, dass sie mit ihrem Körper machen kann, was sie will (oder muss, um zu überleben), kann man einem Menschen wohl kaum genehmigen, mit dem Körper eines anderen zu tun, was er will – das sind nämlich zwei verschiedene Paar Schuhe.

                  „Freiwilligkeit und Prostitution“ weiterlesen

                  Sperrbezirke

                    In Deutschland ist es ja so, dass Prostitution legal ist, aber nicht entkriminalisiert. Verkürzt bedeutet das, es ist erlaubt, sich zu prostituieren, aber es gibt so viele Regeln, die dabei einzuhalten sind, dass es fast unmöglich ist, keine davon zu brechen.
                    Was ganz klar sein muss, ist, dass die Forderung nach der Entkriminalisierung prostituierter Frauen eine Kernforderung des Abolitionismus ist. Strafen, Bussgelder, Regeln, die wir nicht einhalten können, helfen uns kein Stück und sorgen nur dafür, dass sich der Staat an dem Geld, das wir mühsam ervögeln, noch bereichert.
                    Klar ist: Wenn es Sperrbezirke gibt, dann sollen die gegen die Verstöße zahlen, die Prostitution nachfragen. Und das geht, die Gesetze kann man so auslegen, dass die Freier zur Kasse gebeten werden, und nicht wir.
                    Aber braucht es Sperrbezirke überhaupt?

                    „Sperrbezirke“ weiterlesen

                    Amnesty International und die Prostitution

                    • Flag
                    • Flag

                    Gestern fand eine Veranstaltung im Leipziger Museum der Bildenden Künste statt, bei der wir Frauen vom Netzwerk Ella über Prostitution gesprochen haben. Dagegen wurde bereits im Vorfeld protestiert.

                    Weil es anscheinend UNMÖGLICH und UNERTRÄGLICH ist, wenn prostituierte Frauen über Prostitution reden. Geht ja wirklich gar nicht!

                    Eine Gruppe, die bei den Protestierenden (Berufsverband erotische und sexueller Dienstleistungen usw) dabei war, war AMNESTY.

                    Amnesty möchte anscheinend nicht, dass Betroffene sprechen.

                    Das wundert uns nicht, hat Amnesty uns Frauen in der Prostitution doch schon vor Jahren unter den Bus geworfen, als sie forderten, “Sexarbeit” komplett zu entkriminalisieren und damit EXPLIZIT AUCH FREIERTUM, MENSCHENHANDEL UND ZUHÄLTEREI MEINTEN.

                    Begründet haben sie das damit, dass jeder Mensch ein Recht auf Sex hätte und dass es DISKRIMINIERUNG wäre, Männern zu verbieten, sich diesen zu kaufen.

                    Für uns hingegen ist klar: es gibt ein Recht auf die eigene Sexualität, aber es gibt kein Recht, jemanden dafür zur Verfügung gestellt zu bekommen.

                    Und: wer dafür ist, dass Freier, Zuhälter und Menschenhändler straffrei bleiben, der ist nicht FÜR uns Prostituierte, sondern GEGEN UNS.

                    Auch die Wortmeldungen heute sehen wir kritisch. So wurde uns heute von einer “Forscherin” attestiert, wir seien “viel zu enotional”. Unterton: “Ihr seid ja voll die Opfer, ihr könnt nur rumheulen, aber ich, ich kann ja denken.”

                    Überraschung! Wir können das auch! (Und einige von uns sind übrigens auch selber Forscherinnen.) Der Vorwurf, Frauen seien zu “emotional”, ist altbekannt patriarchal. Ihr beschwert euch, wir würden hier “auf Opfer machen”, aber ihr seid es, die uns reduzieren auf unsere Opfergeschichte, ihr seid es, die damit sagen, wir seien ja nur Nutten, unfähig, zu denken oder eine politische Analyse zu betreiben. Das ist frauenverachtend ohne Ende, wundert uns aber nicht.

                    Zum Schluss natürlich noch der Vorwurf, wir seien Rassistinnen, weil wir angesprochen haben, unter welchen BEDINGUNGEN Frauen aus den ärmsten Ländern Europas hier anschaffen müssen.

                    Die ZUSTÄNDE sind rassistisch, und wir kritisieren sie – von euch dazu kein Ton. Nur das AUSSPRECHEN der Kritik stört euch. Was hier in Deutschland stattfindet, ist übelster Kolonialismus. Südosteuropäische Frauen dürfen unseren Männern hier die Schwänze lutschen, um zu überleben. Von euch dazu KEIN TON. Aber diesen Missstand zu benennen ist dann rassistisch? Kommt mal wieder klar!

                    Wir wundern uns nicht über euch. Aber wir wundern uns, dass ihr euch immer noch Menschenrechtsorganisation nennt. Seid doch wenigstens ehrlich und bezeichnet euch künftig als FREIERUNDZUHÄLTERRECHTSORGANISATION.

                    Ihr habt hier dagegen protestiert, dass Prostituierte über Prostitution sprechen. Amnesty hat für uns jede Glaubwürdigkeit verloren.

                    Fick Dich, Amnesty!

                    (Huschke)