Corona und Prostitution

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Ihr Lieben,

als Exprostituierte möchte ich heute dringend etwas sagen. Weil andere Frauen in der Prostitution es gerade nicht können. Die haben nämlich gerade mit was anderem zu tun… Mit Überleben.

Corona hat unser Sozialleben aktuell fest im Griff, und ich begrüsse alle Massnahmen der Regierung und der Länder, die getroffen worden sind (wenn auch sehr spät), und hoffe, ihr seid alle schön vernünftig und isoliert euch, soweit es geht, um Ältere, Menschen mit Immunschwäche, Krebs, anderen Vorerkrankungen usw. nicht zu gefährden. Es gilt jetzt, solidarisch zu sein, solidarisch vor allem mit vulnerablen Gruppen. Und genau darüber möchte ich jetzt sprechen. Denn Frauen in der Prostitution, und zu diesen gehöre ja auch ich, sind auch eine vulnerable Gruppe, und die Frage ist, welche Massnahmen jetzt im Hinblick auf diese Gruppe als solidarisch gelten können. Die Stadt Stuttgart hat Prostitution gerade wegen des Coronavirus VERBOTEN, und bevor ihr jubelt: das ist eine Katastrophe.


Ich erkläre, warum:


Die Prostitutionslandschaft in Stuttgart besteht, wie fast überall, zu 80 bis 90% Zwangs- und Armutsprostituierten aus Südosteuropa. Diese Frauen haben oft


– Keine Krankenversicherung, oder nur eine unzureichende
– Selbstredend keinen Angestelltenstatus mit Recht auf Lohnfortzahlung
– Oft nicht mal Anspruch auf HartzIV


Diese Frauen, und auch die überwiegende Mehrheit der deutschen Frauen in der Prostitution, schaffen aus Zwang und Armut heraus an. Wenn sie heute nicht anschaffen, haben sie morgen kein Geld, nichts zu essen – und nichts zu wohnen.


Was jetzt in Stuttgart passieren wird, ist, dass sich diese Frauen entweder nicht leisten können, nicht mehr anzuschaffen, oder dass sie es eh ihrer Zuhälter wegen nicht dürfen. Sie werden also heimlich anschaffen, DENN SIE HABEN KEINE ANDERE WAHL. Und das ist der entscheidende Knackpunkt. Sie werden es weiter tun müssen, und sie werden, falls sie dabei erwischt werden, bestraft. Die Bussgelder, die sie einkassieren werden, werden sie mit weiterer Prostitution abstottern müssen, DA SIE KEINE ANDERE MÖGLICHKEIT HABEN. Nur mal so nebenbei: die Zimmermieten für ihre Bordellzimmer laufen wahrscheinlich ebenso einfach weiter. Das bedeutet: zusammen mit den Bussgeldern und den Zimmermieten werden diese Frauen am Ende der Coronakrise noch heftiger verschuldet dastehen als jetzt, und das bedeutet, sie können NOCH WENIGER AUSSTEIGEN ALS JETZT SCHON. Und: sie werden sich in dieser Zeit des gezwungenermaßen heimlichen Anschaffens einem erhöhten gesundheitlichen Risiko aussetzen. Denn die Kohle muss ran. Für Essen, Wohnen, Zuhälter und die Kinder in Rumänien. Und das bedeutet: da eh sehr viel weniger Freier kommen, haben die mehr Macht und können Sex ohne Gummi eher einfordern.
Sieht so Schutz aus? DEFINITIV NICHT.
Bitte freut euch also nicht, wenn ihr diese Nachricht lest. Denn für die betroffenen Frauen ist sie schrecklich.


Was würde stattdessen helfen?

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Ist Prostitution in kleinen Wohnungsbordellen sicherer als in Megapuffs?

    Auch ich habe mich anfangs in Wohnungsbordellen prostituiert, und in der NZZ wird gerade beschrieben, dass sich in Zürich ein Streit um diese kleinen Wohnungsbordelle entzündet hat. Wohnungsbordelle sind ganz normale Wohnungen in Mietshäusern, nur, dass dort eben 2 oder mehr Frauen sich prostituieren. Es könnte die Wohnung neben euch sein.
    Die Frauenberatungsstelle FIZ in Zürich plädiert dafür, diese Wohnungsbordelle in Wohngegenden zuzulassen. Der Gemeinderat äusserte, „Prostituierte seien in sexgewerblichen Kleinstsalons besser vor Zwangsprostitution und Ausbeutung geschützt und könnten so in der Regel wirtschaftlich unabhängig und selbstverantwortlich arbeiten.“.

    Ist das so?

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    Was ist der Unterschied zwischen einem Prostitutionsverbot und einem Sexkaufverbot?

      In China sind sowohl Sexkauf ( = Freiertum) als auch Prostitutionsausübung illegal. Wie die ZEIT berichtet, hat das chinesische Parlament beschlossen, dass Freier und Prostituierte nun nicht mehr willkürlich festgenommen und festgehalten werden können. Von ersten Entlassungen aus Arbeitserziehungslagern wird berichtet. Allerdings bleibt beides, Ausübung und Nutzung der Prostitution, illegal, Gefängnis- und Geldstrafen bleiben weiterhin bestehen.
      Das ist ein schrecklicher Zustand, weil zwei Menschen, die unterschiedliches tun, gleich bestraft werden. Die eine Person versucht, alles, was sie hat, irgendwie zu Geld zu machen, um ihr Überleben zu sichern. Die andere Person nutzt ökonomische Machtmittel, um sich sexuellen Zugang zu verschaffen, der ihr sonst verwehrt bliebe.
      Das auf eine Stufe zu stellen ist unsäglich.
      Denn natürlich hat eine jede Person das Recht, mit ihrem Körper zu machen, was sie will und ihn notfalls dazu einzusetzen, ihr Überleben zu sichern. Das zu bestrafen, ist irre.
      Hingegen Freier zu bestrafen, die ja mit dem Körper ANDERER unter Ausübung von Druck und Macht machen, was sie wollen, erscheint richtig.
      Prostitutionsverbote sind furchtbar und führen zu gar nichts ausser dazu, dass prostituierte Frauen (Mädchen, Jungs) der Gewalt der Polizei ausgeliefert sind.
      Das ist der Unterschied zwischen einem Prostitutionsverbot und dem Nordischen Modell, dass nur den Sexkauf sanktioniert.
      In China werden Freier UND Prostituierte festgenommen und bestraft.
      In Schweden werden NUR die Freier zur Verantwortung gezogen, während man dort übereingekommen ist, dass bei der Prostitutionsausübung keine strafbare Handlung vorliegt. Statt Erziehungslagern für Prostituierte gibt es dort Ausstiegsangebote und Hilfe.
      Merke: Prostitutionsverbot doof, Sexkaufverbot prima.

      Link zum Artikel: klick mich.

      Wenn Prostitution ein Job wie jeder andere ist, werden sexuelle Dienstleistungen einklagbar

        Prostitution als „Job wie jeder andere“ – das bedeutet, Männer können Sex ganz legal einklagen. Vielleicht bald auch bei uns. Warum? Darum:

        Heute mal ein kurzer Ausflug in das Gebiet der Rechte von uns Prostituierten, was Honorare und „Vertragserfüllung“ angeht. Kann ein Freier diese „Dienstleistung“, also den Sex, einklagen? Vorsicht, es wird schlimm – denn genau dies könnte bald auch bei uns (wieder!) der Fall sein.

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        Wie die Medien so über Prostitution schreiben

          Es gibt so Artikel, die kann man als Exprostituierte echt nicht lesen, ohne sich verletzt zu fühlen über den tiefsitzenden Hurenhass dieser Gesellschaft.
          Die österreichische KronenZeitung berichtet in extrem prostituiertenfeindlicher Weise über nicht minder prostituiertenfeindliche Polizeiaktionen in Innsbruck. Der Artikel strotzt nur so vor widerlich-süffisanter Altherrenwitzfrauenverachtung – hier greift das Prostituiertenstigma mal wieder enorm.

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          Legalisierung, Prostitutionsverbot, Entkriminalisierung, Nordisches Modell – wie gesetzgeberisch umgehen mit Prostitution?

            Mein Name ist Huschke Mau[1], und ich bin eine Frau aus der Prostitution. Momentan bin ich Doktorandin. Seit 2014 bin ich als Aktivistin für das Nordische Modell aktiv und halte Vorträge. Im Januar 2018 habe ich das Netzwerk Ella[2] gegründet, wir sind ein Zusammenschluss von Frauen, die in der Prostitution waren oder noch sind, und wir definieren das, was wir erlebt haben und noch erleben, als Gewalt. Die Konsequenz, die wir daraus ziehen, ist die Forderung nach der Einführung des Nordischen Modells auch in Deutschland. Wir haben erfahren, wie Prostitution in einer legalisierenden Gesetzgebung ist, und wir finden, dass sie uns nichts als Nachteile gebracht hat. Mit Aussteigerinnen aus Ländern, in denen das Nordische Modell eingeführt worden ist, stehen wir in Kontakt.

            Wenn man von den gesetzgeberischen Umgängen mit Prostitution spricht, herrscht oftmals eine große Verwirrung. Ist Legalisierung dasselbe wie Entkriminalisierung? Ist das Nordische Modell de facto ein Prostitutionsverbot? Dieser Beitrag soll dabei helfen, die einzelnen Begriffe zu klären und die Konsequenzen der jeweiligen Regelung bezüglich Prostitution für uns Betroffene, aber auch für die gesamte Gesellschaft, darzustellen.

            Es gibt bisher 3 Arten, mit Prostitution gesetzgeberisch umzugehen: Legalisierung, Prostitutionsverbot oder das Nordische Modell. Der jeweilige regulative Umgang mit Prostitution sagt auch etwas darüber aus, ob Prostitution in der betreffenden Gesellschaft als Gewalt gegen Frauen wahrgenommen wird oder nicht.  Mein Standpunkt ist ein abolitionistischer. Ich argumentiere nicht nur aus meiner Erfahrung heraus – und aus der vieler meiner (Ex-)Kolleginnen -, sondern ich finde, es braucht eine politische Analyse, um zu begreifen, was Prostitution wirklich ist. Schauen wir uns an, wie Prostitution sich heute gestaltet.

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            Was braucht es in Sachen Prostitutionspolitik?

              Ich als Exprostituierte kann folgendes sagen:
              Wir können uns noch jahrelang daran abarbeiten, ob es irgendwo eine Prostituierte gibt, die, aus welchen Gründen auch immer, sagt, dass sie es freiwillig macht.
              Und dann können wir weiterhin jahrelang so tun, als würde das rechtfertigen, dass Prostitution als System existiert.
              Weiterhin jahrelang so tun, als würden wir nicht merken, dass Prostitution sexuelle Gewalt ist.
              Weiterhin jahrelang so tun, als wäre es okay, dass Frauen und Mädchen darauf reduziert werden, sexuelle Bedürfnisse von Männern zu befriedigen, unter Hinnahme psychischer, physischer und emotionaler Schaden.
              Weiterhin behaupten, der sexuelle Missbrauch wäre okay, bloss weil er kommerzialisiert ist – und irgendwer, und meistens sind es nicht wir prostituierten Frauen, Geld dafür bekommt.
              Wir können und sollten aber endlich den Fokus auf die Freier legen.
              Was machen Freier?
              Freier üben einen sexuellen Akt an Frauen und Mädchen aus, die ohne Entschädigung nicht mit ihnen schlafen würden. Warum die Entschädigung? Weil ein Schaden entsteht. Der Schaden ist: SEx mit jemandem haben zu müssen, mit dem man keinen Sex haben will. Was ist das? Doch nichts anderes als Vergewaltigung.
              Freier bekommen NATÜRLICH von uns zu hören, dass wir das gerne machen. Sie bezahlen uns ja dafür, dass wir sagen, dass wir es gerne tun! Aber was wirklich dahinter steckt, das wissen sie nicht – und sie wollen es nicht wissen. Sie werden nie, niemals, zu 100% sicherstellen können, dass sie gerade KEINE Zwangsprostituierte im Bett haben.
              Dieses Risiko nehmen sie in Kauf, weil ihnen ihre sexuelle Befriedigung wichtiger ist als die Frage, ob wir prostituierte Frauen diesen Sex wirklich wollen.
              Freier gehen bewusst und jedes Mal das Risiko ein, eine Vergewaltigung zu begehen.
              Freier sind Täter!
              Es geht so langsam voran. Ich weiss, dass es wehtut, hinzusehen. Jeden Tag gehen 1,2 Millionen Männer in Deutschland zu Prostituierten. Es sind eure Väter, Brüder, Ehemänner, Partner, Chefs, Arbeitskollegen. Niemand will sich vorstellen, dass die Männer, mit denen man täglich Umgang hat, heimlich so etwas tun. Aber viele von ihnen tun es eben. Wenn wir wegschauen, können wir weiter so tun, als wäre die Welt heil. Ich verstehe, dass das ein Verdrängungsmechanismus ist, der dem Selbstschutz dient.
              Wir wissen aber, dass der kommerzialisierte sexuelle Missbrauch in Deutschland existiert.
              Und an der Basis brodelt es.
              Politikerinnen und Politiker aller Parteien (außer der AfD, die braucht kein Mensch) sollten jetzt:

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              Prostitution und Grenzüberschreitungen

                Mir als Frau aus der Prostitution geht oft gegen den Strich, wie Prostitution in den Medien verharmlost wird. Man könnte meinen, es sei ein Lifestyle wie jeder andere. Vice Österreich hat mal wieder einen älteren Artikel rausgekramt, in dem es um „Sexarbeiter“ geht – ja, nicht gegendert, denn es sind „Männer und Frauen in der Sexindustrie ihre Körper anbieten“. Ist ja gleich der erste Punkt. Denn ja, das stimmt. Aber hier wird so getan, als wäre das 50-50 – was nicht stimmt. Prostitution, Strippen usw. ist hart gegendert, 9 von 10 Prostituierten sind weiblich – und die männlichen Prostituierten bedienen zumeist auch die männliche Nachfrage. Es gibt keinen Grund, so zu tun, als gäbe es genauso viele Frauen wie Männer in der Prostitution, und als würden genauso viele Männer wie Frauen Sex kaufen. Das ist nicht der Fall. Warum? Weil Prostitution (auch Strippen, Porno etc.) Ausdruck und Stütze patriarchaler Verhältnisse ist.

                In dem Artikel sprechen u.a. eine Escortfrau und eine Prostituierte.

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                „Wenn wir das Nordische Modell einführen, wandert Prostitution in den Untergrund“ – eine kleine Aufklärung

                  Bundesjustizministerin Christine Lambrecht warnt vor „Prostitution in dunklen Ecken“ und meint, die Einführung des Nordischen Modells sei keine Lösung, denn es gäbe nachher immer noch Prostitution – und mir als Frau aus der Prostitution geht bei solchen Aussagen so derbe die Hutschnur hoch.

                  Eine kleine Aufklärung über „den Untergrund“ tut Not.

                  Das erste ist: Das Nordische Modell beendet nicht die Existenz von Prostitution. Soweit ist das richtig. Es dezimiert sie aber, und zwar enorm. In Schweden geht die Prozentzahl der Freier, gemessen an der Gesamtbevölkerung, jedes jahr um 0,5 % runter und ist mittlerweile bei phänomenalen 7%. Davon können wir hier in Deutschland nur träumen – je nach Statistik ist es hier jeder 3. Mann, der geht, 90%, die schonmal im Bordell waren (was nicht heisst, dass sie es immer noch tun, auch einmalige Ausflüge ins Milieu gelten) oder 3 von 4 Männern, die schonmal Prostitution genutzt haben. Könnten wir das auf 7% Freier runterschrauben, wäre das schonmal ein massiver Fortschritt! Davon mal abgesehen: Die Einführung der Strafbarkeit von Mord hat auch nicht dafür gesorgt, dass es keine Morde mehr gibt. Uns allen ist aber ja wohl klar, dass es noch mehr Morde geben würde, wenn Mord nicht strafbar wäre, oder?

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