Schlagwort: Prostitution
Legalisierung, Prostitutionsverbot, Entkriminalisierung, Nordisches Modell – wie gesetzgeberisch umgehen mit Prostitution?
Mein Name ist Huschke Mau[1], und ich bin eine Frau aus der Prostitution. Momentan bin ich Doktorandin. Seit 2014 bin ich als Aktivistin für das Nordische Modell aktiv und halte Vorträge. Im Januar 2018 habe ich das Netzwerk Ella[2] gegründet, wir sind ein Zusammenschluss von Frauen, die in der Prostitution waren oder noch sind, und wir definieren das, was wir erlebt haben und noch erleben, als Gewalt. Die Konsequenz, die wir daraus ziehen, ist die Forderung nach der Einführung des Nordischen Modells auch in Deutschland. Wir haben erfahren, wie Prostitution in einer legalisierenden Gesetzgebung ist, und wir finden, dass sie uns nichts als Nachteile gebracht hat. Mit Aussteigerinnen aus Ländern, in denen das Nordische Modell eingeführt worden ist, stehen wir in Kontakt.
Wenn man von den gesetzgeberischen Umgängen mit Prostitution spricht, herrscht oftmals eine große Verwirrung. Ist Legalisierung dasselbe wie Entkriminalisierung? Ist das Nordische Modell de facto ein Prostitutionsverbot? Dieser Beitrag soll dabei helfen, die einzelnen Begriffe zu klären und die Konsequenzen der jeweiligen Regelung bezüglich Prostitution für uns Betroffene, aber auch für die gesamte Gesellschaft, darzustellen.
Es gibt bisher 3 Arten, mit Prostitution gesetzgeberisch umzugehen: Legalisierung, Prostitutionsverbot oder das Nordische Modell. Der jeweilige regulative Umgang mit Prostitution sagt auch etwas darüber aus, ob Prostitution in der betreffenden Gesellschaft als Gewalt gegen Frauen wahrgenommen wird oder nicht. Mein Standpunkt ist ein abolitionistischer. Ich argumentiere nicht nur aus meiner Erfahrung heraus – und aus der vieler meiner (Ex-)Kolleginnen -, sondern ich finde, es braucht eine politische Analyse, um zu begreifen, was Prostitution wirklich ist. Schauen wir uns an, wie Prostitution sich heute gestaltet.
„Legalisierung, Prostitutionsverbot, Entkriminalisierung, Nordisches Modell – wie gesetzgeberisch umgehen mit Prostitution?“ weiterlesenWas braucht es in Sachen Prostitutionspolitik?
Ich als Exprostituierte kann folgendes sagen:
Wir können uns noch
jahrelang daran abarbeiten, ob es irgendwo eine Prostituierte gibt,
die, aus welchen Gründen auch immer, sagt, dass sie es freiwillig macht.
Und dann können wir weiterhin jahrelang so tun, als würde das rechtfertigen, dass Prostitution als System existiert.
Weiterhin jahrelang so tun, als würden wir nicht merken, dass Prostitution sexuelle Gewalt ist.
Weiterhin jahrelang so tun, als wäre es okay, dass Frauen und Mädchen
darauf reduziert werden, sexuelle Bedürfnisse von Männern zu
befriedigen, unter Hinnahme psychischer, physischer und emotionaler
Schaden.
Weiterhin behaupten, der sexuelle Missbrauch wäre okay,
bloss weil er kommerzialisiert ist – und irgendwer, und meistens sind es
nicht wir prostituierten Frauen, Geld dafür bekommt.
Wir können und sollten aber endlich den Fokus auf die Freier legen.
Was machen Freier?
Freier üben einen sexuellen Akt an Frauen und Mädchen aus, die ohne
Entschädigung nicht mit ihnen schlafen würden. Warum die Entschädigung?
Weil ein Schaden entsteht. Der Schaden ist: SEx mit jemandem haben zu
müssen, mit dem man keinen Sex haben will. Was ist das? Doch nichts
anderes als Vergewaltigung.
Freier bekommen NATÜRLICH von uns zu
hören, dass wir das gerne machen. Sie bezahlen uns ja dafür, dass wir
sagen, dass wir es gerne tun! Aber was wirklich dahinter steckt, das
wissen sie nicht – und sie wollen es nicht wissen. Sie werden nie,
niemals, zu 100% sicherstellen können, dass sie gerade KEINE
Zwangsprostituierte im Bett haben.
Dieses Risiko nehmen sie in Kauf,
weil ihnen ihre sexuelle Befriedigung wichtiger ist als die Frage, ob
wir prostituierte Frauen diesen Sex wirklich wollen.
Freier gehen bewusst und jedes Mal das Risiko ein, eine Vergewaltigung zu begehen.
Freier sind Täter!
Es geht so langsam voran. Ich weiss, dass es wehtut, hinzusehen. Jeden
Tag gehen 1,2 Millionen Männer in Deutschland zu Prostituierten. Es sind
eure Väter, Brüder, Ehemänner, Partner, Chefs, Arbeitskollegen. Niemand
will sich vorstellen, dass die Männer, mit denen man täglich Umgang
hat, heimlich so etwas tun. Aber viele von ihnen tun es eben. Wenn wir
wegschauen, können wir weiter so tun, als wäre die Welt heil. Ich
verstehe, dass das ein Verdrängungsmechanismus ist, der dem Selbstschutz
dient.
Wir wissen aber, dass der kommerzialisierte sexuelle Missbrauch in Deutschland existiert.
Und an der Basis brodelt es.
Politikerinnen und Politiker aller Parteien (außer der AfD, die braucht kein Mensch) sollten jetzt:
Prostitution und Grenzüberschreitungen
Mir als Frau aus der Prostitution geht oft gegen den Strich, wie Prostitution in den Medien verharmlost wird. Man könnte meinen, es sei ein Lifestyle wie jeder andere. Vice Österreich hat mal wieder einen älteren Artikel rausgekramt, in dem es um „Sexarbeiter“ geht – ja, nicht gegendert, denn es sind „Männer und Frauen in der Sexindustrie ihre Körper anbieten“. Ist ja gleich der erste Punkt. Denn ja, das stimmt. Aber hier wird so getan, als wäre das 50-50 – was nicht stimmt. Prostitution, Strippen usw. ist hart gegendert, 9 von 10 Prostituierten sind weiblich – und die männlichen Prostituierten bedienen zumeist auch die männliche Nachfrage. Es gibt keinen Grund, so zu tun, als gäbe es genauso viele Frauen wie Männer in der Prostitution, und als würden genauso viele Männer wie Frauen Sex kaufen. Das ist nicht der Fall. Warum? Weil Prostitution (auch Strippen, Porno etc.) Ausdruck und Stütze patriarchaler Verhältnisse ist.
In dem Artikel sprechen u.a. eine Escortfrau und eine Prostituierte.
„Prostitution und Grenzüberschreitungen“ weiterlesen„Wenn wir das Nordische Modell einführen, wandert Prostitution in den Untergrund“ – eine kleine Aufklärung
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht warnt vor „Prostitution in dunklen Ecken“ und meint, die Einführung des Nordischen Modells sei keine Lösung, denn es gäbe nachher immer noch Prostitution – und mir als Frau aus der Prostitution geht bei solchen Aussagen so derbe die Hutschnur hoch.
Eine kleine Aufklärung über „den Untergrund“ tut Not.
Das erste ist: Das Nordische Modell beendet nicht die Existenz von Prostitution. Soweit ist das richtig. Es dezimiert sie aber, und zwar enorm. In Schweden geht die Prozentzahl der Freier, gemessen an der Gesamtbevölkerung, jedes jahr um 0,5 % runter und ist mittlerweile bei phänomenalen 7%. Davon können wir hier in Deutschland nur träumen – je nach Statistik ist es hier jeder 3. Mann, der geht, 90%, die schonmal im Bordell waren (was nicht heisst, dass sie es immer noch tun, auch einmalige Ausflüge ins Milieu gelten) oder 3 von 4 Männern, die schonmal Prostitution genutzt haben. Könnten wir das auf 7% Freier runterschrauben, wäre das schonmal ein massiver Fortschritt! Davon mal abgesehen: Die Einführung der Strafbarkeit von Mord hat auch nicht dafür gesorgt, dass es keine Morde mehr gibt. Uns allen ist aber ja wohl klar, dass es noch mehr Morde geben würde, wenn Mord nicht strafbar wäre, oder?
„„Wenn wir das Nordische Modell einführen, wandert Prostitution in den Untergrund“ – eine kleine Aufklärung“ weiterlesen„Wenn wir das Nordische Modell einführen, nehmen wir behinderten Männern die einzige Möglichkeit, Sex zu haben“ – ist das so?
Während meiner Zeit in der Prostitution hatte ich keinen einzigen behinderten Freier.
Dennoch wird jetzt so getan, als würde die Einführung des Nordischen
Modells in Deutschland massenhaft Behinderte diskriminieren, weil die
dann keine Möglichkeit mehr hätten, Sex zu haben.
Dazu kurz ein paar Worte.
Erstens sind die meisten Freier nicht behindert. Sie sind nicht mal Männer, die „sonst nicht an Sex kommen“. Denn weit über die Hälfte der Freier lebt in einer Ehe oder Beziehung. Statistiken zeigen zudem, dass Freier selbst ausserhalb ihrer Prostitutionsnutzung viel mehr Sexualpartnerinnen haben als Männer, die nicht zu Prostituierten gehen. „Prostitution ist für Männer, die aus welchen Gründen auch immer sonst keinen Sex haben können“ – das ist also ein Argument, das so schon gar nicht zutrifft.
„„Wenn wir das Nordische Modell einführen, nehmen wir behinderten Männern die einzige Möglichkeit, Sex zu haben“ – ist das so?“ weiterlesenZwischen den Fronten
Waaaaaah. Gerade macht Presseschau mal wieder überhaupt keinen Spass.
Die FPÖ in Österreich möchte Asylbewerberinnen verbieten, mit Prostitution Geld zu verdienen, während ihr Verfahren noch läuft.
Erstmal den Kopf aufräumen. Und dann feststellen: wir Frauen in und aus der Prostitution sind mal wieder die Gearschten. Aber von vorne.
Österreich ist ein Land mit einer äusserst konservativen
Prostitutionspolitik. Das bedeutet: Freier sein ist voll okay,
Prostitution ist voll okay, Prostituierte sind pfui. Und weil sie pfui
sind, müssen prostituierte Frauen dort alle 6 Wochen zu einer
verpflichtenden medizinischen Untersuchung. Ja, ihr habt richtig
gelesen: UNTERSUCHUNG. Nicht Beratung. UNTERSUCHUNG. Ja, das bedeutet:
so richtig mit ab auf den Gynstuhl, Beine breit und drin rumfummeln.
Unschön? Nicht nur das. Sondern ein klarer Verstoß gegen die
Menschenwürde und gegen die körperliche Selbstbestimmung von Frauen. Und
wenn ich mir das mal kurz erlauben darf: unsere werte CDU hier wollte
genau das ins 2017 in Kraft getretene ProstSchG einschreiben. Denn
augenscheinlich kommt es bei prostituierten Frauen auf einmal mehr
Beinebreitmachen dann schon gar nicht mehr an. Aber wir wundern uns ja
nicht jetzt, dass von Frauenfeinden frauenfeindliche Vorschläge kommen.
Jedenfalls ist es in Österreich so, dass Asylbewerberinnen und
Asylbewerber nicht arbeiten dürfen, während ihr Verfahren läuft. So
weit, so scheisse. Aber prostituieren dürfen sie sich. So weit, so noch
scheisserer. Es riecht nach Kolonialismus hier und nach einer fetten
Kombi aus Rassismus und Frauenverachtung – die Arbeitsplätze dürfen
AsylbewerberInnen keinem wegnehmen dürfen, gell, aber unseren weissen
Herren die Schwänze lutschen, das geht. Passt schon.
Eiswürfelherzmomente – Wenn man in der Prostitution die Seiten wechselt
Mein Name ist Huschke Mau, ich bin Exprostituierte, und auch wenn
ich weiss, und am eigenen Leib erfahren habe, dass Prostitution Gewalt
gegen Frauen ist, schreibe ich heute darüber, dass ich mir wünsche, dass
eine Zuhälterin ein bisschen mehr Solidarität erfährt.
Das klingt schockierend – wie begründe ich das?
Der Stern-Artikel zu Schwesta Ewas Biographie hat für ganz schön Furore
gesorgt. Die Rapperin war nach gewaltbesetzter Kindheit lange selber in
der Prostitution und sie hat später andere, teils Minderjährige, in die
Prostitution vermittelt, und dazu nicht nur das
Abhängigkeitsverhältnis, welches bestand (es waren weitaus jüngere Fans)
ausgenutzt, sondern sich auch körperlicher Gewalt bedient.
Vorab: Dass sie dafür bestraft wird, ist natürlich richtig.
ABER.
In den Kommentarspalten tobt dazu mal wieder der Mob. Leute, die sonst
nichts dagegen haben, dass es eine Riege von Frauen und Mädchen gibt,
die die Gesellschaft, oft schon von Vornherein und von der Kindheit an,
zum Abschuss freigegeben hat, Leute, die sich gerne selber der
Prostitution bedienen, Leute, die vielleicht selber Schwesta Ewas
minderjährige Fans ganz gerne mal auf Hausbesuch gehabt hätten,
beschimpfen jetzt die Frau, die dafür gesorgt hat, dass das, was sie
nutzen (Prostitution, Prostituierte) zur Verfügung gestellt werden
konnte.
Wie verlogen ist das?
Es ist so deutlich, dass diese Art nur so vor Doppelmoral trieft.
Freier sein?
Kein Thema, ist doch normal.
Hure sein?
Boah, die Schlampe. Hat es nicht anders verdient.
Zuhälterin sein? OMG GANZ SCHLIMM, ABSCHAUM.
Was soll das? Wer Prostitution nutzt, mag, verteidigt, der sollte sich
im Klaren darüber sein, dass Prostitution nie sauber ist. Kein Freier
kann genau wissen, ob die prostituierte Frau gerade aus ökonomischen
Zwängen mit ihm schläft, ob sie Kindheitstraumata reinszeniert, ob sie
sonst von Zuhälter (oder von Schwesta Ewa) auf die Fresse kriegt.
Die Empörung, die sich in den Kommentarspalten zeigt, weist nicht darauf
hin, dass diese Gesellschaft etwas dagegen hat, dass es Mädchen und
Frauen gibt, denen weder in der Kindheit noch in der Zeit danach
geholfen wird, sich vor sexuellem Missbrauch zu schützen. Nein, diese
Gesellschaft hat nichts dagegen. Sie will es nur nicht SEHEN. Die
Empörung, die sich hier zeigt, ist eine Empörung darüber, SEHEN ZU
MÜSSEN, mit welch dreckigen Methoden in der Prostitution agiert wird und
welch teils schlimme Schicksale dahinterstehen. Und das überrascht mich
nicht, aber natürlich kotzt es mich an.
Freier und Zwangsprostitution
Habt ihr schonmal einen Freier gefragt, wie er zu Zwangsprostitution steht?
Während meiner Zeit in der Prostitution war es immer so, dass Männer mir ungefragt unterstellt haben, ich würde das freiwillig und aus Spass machen („Hobby zum Beruf gemacht“). Oder aber sie waren sich sicher, dass ich einen Zuhälter habe, und haben versucht, mich damit zu erpressen (zum Beispiel, indem sie vorgegeben haben, sie hätten mit meinem „Chef“ telefoniert und ausgemacht, dass ich es ohne Gummi tue, und wenn ich das jetzt nicht täte, gäben sie ihm Bescheid und ich würde Ärger bekommen – blöd nur, dass ich in den letzten jahren keinen Chef mehr hatte…). GEFRAGT danach haben sie nicht. Es ging ihnen nicht um meine Situation. Es ging ihnen um SICH. Entweder darum, auf Teufel komm raus ein gutes Gewissen haben zu können, so wie der Polizist, der mich als Freier besuchte, mir erzählte, im Job ermittle er gegen Menschenhandel und als ich ihn fragte, wie er das zusammenkriege, meinte: „Ach, wieso, ich schade ja niemandem, ich schade dir ja nicht. Du bist freiwillig hier.“ (Das legte er einfach mal so fest.) Oder eben sie versuchen, das meiste für sich rauszuholen, und das geht eben gut, wenn sie eine Zwangsprostituierte vor sich haben. Die kann und darf sich nämlich nicht wehren.
„Freier und Zwangsprostitution“ weiterlesenMinderjährige in der Prostitution
Während meiner Zeit in der Prostitution hat mich, selbst als nicht klar war, ob ich volljährig bin, NIE ein Freier gefragt, wie alt ich eigentlich WIRKLICH bin. Und auch nie, ob ich freiwillig hier bin. Bin ich damit ein Einzelfall?
In Hamburg stehen zwei Männer vor Gericht.
Sie haben einem Mann ein 15-jähriges Mädchen „abgekauft“. Auch dieser hatte es zur Prostitution gezwungen, es ist nicht klar, wie lange schon.
Dann haben sie das Mädchen an Freier vermittelt. Ihre Einnahmen hat sie abgeben müssen, um ihre „Schulden“ ( = ihren Einkaufspreis) bei ihren neuen Zuhältern abarbeiten zu müssen.
Schliesslich hat sich die Polizei verdeckt auf eine der Anzeigen gemeldet, in denen sie als frisch 18 geworden beworben wurde und liess die Sache hochgehen.