Als Exprostituierte bin ich oft müde davon, zum hundertsten Mal ausdiskutieren zu müssen, ob Prostitution freiwillig ist. Denn die Frage nach dem Existenzrecht von Prostitution hängt nicht davon ab, ob es irgendwo eine gibt, die es „freiwillig“ macht.
Wir brauchen mehr politische Analyse und weniger Fokusverschiebung auf die, die durch die Prostitution in der handlungsbeschränkteren Lage sind (das sind wir prostituierten Frauen). Prostitution wird nicht dadurch okay, dass irgendwo irgendeine sagt, dass sie es „freiwillig“ tut, genauso wenig, wie partnerschaftliche Gewalt dadurch okay wird, dass eine Frau „freiwillig“ bei ihrem schlagenden Mann bleibt.
Diese
Konzentration auf das „ja“ der Frau erinnert an Victimblaming. Wir
brauchen mehr politische Analyse, wir brauchen einen Blick darauf, in
welchen UMSTÄNDEN das „JA“ gegeben wurde, und dann sehen wir: Ein „Ja“,
das gegeben wird, weil ein „Nein“ hiesse, negative Konsequenzen zu
tragen (nichts zu essen, kein Geld für die Miete, Schläge) kann kein
Konsens sein.
Abgesehen von der politischen Analyse fehlt mir auch
oft der Blick auf die Freier. Warum wird andauernd das Verhalten derer,
die sich prostituieren, kritisiert und zum 100. Mal durchgekaut? Wir
sind doch schon lange an dem Punkt, an dem wir wissen, was Frauen dazu
bringt, sich zu prostituieren.
Drehen wir doch den Spieß mal um und
betrachten die Freier. Während man einer Frau sehr wohl zugestehen
muss, dass sie mit ihrem Körper machen kann, was sie will (oder muss, um
zu überleben), kann man einem Menschen wohl kaum genehmigen, mit dem
Körper eines anderen zu tun, was er will – das sind nämlich zwei
verschiedene Paar Schuhe.