Go get the Glitzerstecker

    Ich hab ganz schön überlegt, ob ich das hier posten soll. Aber dann wiederum denke ich mir, ich bin doch sicher nicht die einzige Frau, der es so geht. Und vielleicht hilft es Dir – wenn Du eine von denen bist, die auch denken, dass sie es nicht verdienen, dass es ihnen mal gut geht, oder dass sie überhaupt eh nicht verdienen, überhaupt zu existieren.

    Mir geht es auch so. Ich hab von frühester Kindheit eingeprügelt bekommen, dass ich nicht da sein sollte. Eine Belastung bin. Und dass ich mich für mein Dasein entschuldigen muss und wiedergutmachen muss, dass ich existiere. Wie? Nun, indem ich erstens für andere von Nutzen bin (oder mich be-nutzen lasse) und zweitens, indem ich arbeite. Leistung, Leistung, Leistung! Dann bin ich wenigstens zu irgendetwas gut.

    In meiner Kindheit war ich dazu gut, der Blitzableiter für schwere Gewalt zu sein. In der Prostitution war ich dazu gut, zu ficken. Das ist so tief drin in mir, dass ich noch heute misstrauisch bin, wenn Leute mich kennenlernen wollen. Sofort ist da der Gedanke: was wollen die von mir? Die wollen doch irgendwas von mir. Ich soll irgendwas für sie tun. Ihnen nützlich sein. Auf keinen Fall sind sie einfach nur so nett zu mir. Das gibt es nicht – da ist Berechnung, da sind Hintergedanken.

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    Interview mit der schwedischen Prostitutionsaussteigerin Merly Asbogard

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    Das Nordische Modell ist gefährlich!

    Migrantische Frauen, die in Schweden in der Prostitution aufgegriffen werden, werden abgeschoben!

    Prostituierte verlieren ihre Wohnungen!

    Ihre Kinder werden ihnen weggenommen!

    Die Freiergewalt gegen Prostituierte hat zugenommen! Prostitution ist nicht weniger geworden, sie ist nur in den „Untergrund“ gerutscht!

     Das hören wir immer wieder in der aktuellen Debatte darüber, ob wir die massiven Menschenrechtsverletzungen, die durch die Legalisierung der Prostitution in Deutschland täglich geschehen, reduzieren können, indem wir das Nordische Modell einführen.

    Deswegen habe ich heute ein ganz besonderes Schmankerl für euch – nämlich ein Interview mit der grossartigen schwedischen Aktivistin Merly Asbogard, die 16 Jahre in Schweden in der Prostitution war. Wir haben uns, von Prostitutionsaussteigerin zu Prostitutionsaussteigerin, über das Nordische Modell unterhalten – dieses besteht aus einer Freierbestrafung, der Entkriminalisierung von Frauen in der Prostitution, garantierten Ausstiegshilfen, gesellschaftlicher Aufklärung über Prostitution und der Annahme, dass Prostitution Gewalt gegen Frauen ist.

    Wie sind also die Realitäten in der Prostitution unter dem Nordischen Modell, welche Auswirkungen hat es, und was können wir besser machen?

    Viel Spass beim Lesen.

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    Etwas, über das man nicht spricht: Suizidgedanken.

      Ich habe es schon zu Beginn des Shitstorms gefühlt. Und es überrascht mich auch nicht.

      Als die Antilopengang rappte: „Wenn eine Influencerin sich umbringt, ist Oli Pocher schuld, und seine ganzen Kumpels“, da hab ich noch gedacht: „Absolut,an deren psychische Lage denkt nämlich keiner dieser shitstormenden, mit Hasspostings mobbenden Fans“.

      Ich hab nicht gedacht: „Du. Da geht es auch um Dich.“

      Das war mir ganz fern. Warum? Dieses Angehasstwerden hat bei mir keine Suizidgedanken entstehen lassen. Es hat sie aber wieder hervorgekramt.

      Die ersten beiden Tage und konnte ich weder schlafen und essen. Statt Blut flossen Stresshormone durch meine Adern. Nachts konnte ich nicht schlafen, bei mir lagen die Gedanken „es wäre besser, du wärst nicht mehr da“ und „ich schaffe das nicht, ich bin zu müde, ich kann nicht mehr“.

      Suizidgedanken.

      Hallo. Da sind wir wieder.

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      Fliederregentag

        Hey Du.


        Ich muss es loswerden, rauslassen, mein Herz ist übervoll. Ich kann das gar nicht alles ausweinen.


        Heute ist wieder einer von den düsteren Tagen. Es regnet und der Wind treibt mir die Fliederblüten am Fenster vorbei. Ich bin aufgewacht, habe es gesehen und habe fast 2 Stunden gebraucht, um aus dem Bett zu kommen. Alles tut weh. Mein Körper tut weh. Mein Herz tut weh. Meine Seele tut weh.
        Es ist jetzt fast 11 Monate her, dass Du gestorben bist. Etwas, von dem ich wusste, dass es passieren könnte, so rein rational. Aber mein Herz hat das nie begriffen. Du und ich. Ich und Du. Egal, was war, im innersten gab es immer dieses WIR. Das geheimste, schönste, innigste. Ich wusste immer, und wenn die Welt um uns herum auch durchdreht, solange wir uns haben, ist alles gut.

        Und jetzt ist es nicht mehr so. Und gar nichts ist mehr gut.



        Schlimm sind die Nächte. Ich schlafe ein und nachts, im Traum, fällt mir ein, dass Du tot bist, und ich schrecke panisch hoch und fange an zu weinen. Jede Nacht wieder, immer mehrmals dieses schreckliche Begreifen, der existentielle Schock: Du bist tot. Es gibt Dich nicht mehr. Früh, wenn ich aufwache, bist Du mein erster Gedanke. Dann schlägt mir dieser Gedanke immer wieder eine Axt in den Bauch. Mit der laufe ich dann den ganzen Tag rum. Ich fühle mich innerlich ganz wund und aufgerieben. Und verletzt. Als hätte man mir was amputiert. Ein großes Stück Seele. Ein großes Stück Herz. Der Tod hat mir eine tiefe Wunde geschlagen. Sie heilt nicht. Dafür macht der Phantomschmerz mich verrückt. Manchmal träume ich von Dir und ich merke im Traum, dass ich träume, und zugleich weiss ich, das hier ist kein Traum, sondern echt. Wir treffen uns im Traum, weil wir uns woanders nicht mehr begegnen dürfen.

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        Corona und Prostitution

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        Ihr Lieben,

        als Exprostituierte möchte ich heute dringend etwas sagen. Weil andere Frauen in der Prostitution es gerade nicht können. Die haben nämlich gerade mit was anderem zu tun… Mit Überleben.

        Corona hat unser Sozialleben aktuell fest im Griff, und ich begrüsse alle Massnahmen der Regierung und der Länder, die getroffen worden sind (wenn auch sehr spät), und hoffe, ihr seid alle schön vernünftig und isoliert euch, soweit es geht, um Ältere, Menschen mit Immunschwäche, Krebs, anderen Vorerkrankungen usw. nicht zu gefährden. Es gilt jetzt, solidarisch zu sein, solidarisch vor allem mit vulnerablen Gruppen. Und genau darüber möchte ich jetzt sprechen. Denn Frauen in der Prostitution, und zu diesen gehöre ja auch ich, sind auch eine vulnerable Gruppe, und die Frage ist, welche Massnahmen jetzt im Hinblick auf diese Gruppe als solidarisch gelten können. Die Stadt Stuttgart hat Prostitution gerade wegen des Coronavirus VERBOTEN, und bevor ihr jubelt: das ist eine Katastrophe.


        Ich erkläre, warum:


        Die Prostitutionslandschaft in Stuttgart besteht, wie fast überall, zu 80 bis 90% Zwangs- und Armutsprostituierten aus Südosteuropa. Diese Frauen haben oft


        – Keine Krankenversicherung, oder nur eine unzureichende
        – Selbstredend keinen Angestelltenstatus mit Recht auf Lohnfortzahlung
        – Oft nicht mal Anspruch auf HartzIV


        Diese Frauen, und auch die überwiegende Mehrheit der deutschen Frauen in der Prostitution, schaffen aus Zwang und Armut heraus an. Wenn sie heute nicht anschaffen, haben sie morgen kein Geld, nichts zu essen – und nichts zu wohnen.


        Was jetzt in Stuttgart passieren wird, ist, dass sich diese Frauen entweder nicht leisten können, nicht mehr anzuschaffen, oder dass sie es eh ihrer Zuhälter wegen nicht dürfen. Sie werden also heimlich anschaffen, DENN SIE HABEN KEINE ANDERE WAHL. Und das ist der entscheidende Knackpunkt. Sie werden es weiter tun müssen, und sie werden, falls sie dabei erwischt werden, bestraft. Die Bussgelder, die sie einkassieren werden, werden sie mit weiterer Prostitution abstottern müssen, DA SIE KEINE ANDERE MÖGLICHKEIT HABEN. Nur mal so nebenbei: die Zimmermieten für ihre Bordellzimmer laufen wahrscheinlich ebenso einfach weiter. Das bedeutet: zusammen mit den Bussgeldern und den Zimmermieten werden diese Frauen am Ende der Coronakrise noch heftiger verschuldet dastehen als jetzt, und das bedeutet, sie können NOCH WENIGER AUSSTEIGEN ALS JETZT SCHON. Und: sie werden sich in dieser Zeit des gezwungenermaßen heimlichen Anschaffens einem erhöhten gesundheitlichen Risiko aussetzen. Denn die Kohle muss ran. Für Essen, Wohnen, Zuhälter und die Kinder in Rumänien. Und das bedeutet: da eh sehr viel weniger Freier kommen, haben die mehr Macht und können Sex ohne Gummi eher einfordern.
        Sieht so Schutz aus? DEFINITIV NICHT.
        Bitte freut euch also nicht, wenn ihr diese Nachricht lest. Denn für die betroffenen Frauen ist sie schrecklich.


        Was würde stattdessen helfen?

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        Der Staat als Zuhälter

          „Kein Orgasmus – Freier verklagt Prostituierte“ lautete die Überschrift eines Artikels in der „Winnender Zeitung“ letzte Woche. Was so lustig und auch absurd klingt, hat einen heftigen politischen Hintergrund, und als Exprostituierte, politische Aktivistin und als Frau vergeht mir da das Lachen.

          Was war vorgefallen?

          Der Mann hatte eine Prostituierte gebucht und sie hernach wegen Betrugs angezeigt. Vor Gericht schildert er, sie habe den Geschlechtsverkehr abrupt unterbrochen und sei gegangen. Sie sagt, er habe diverse Extras gebucht, und da er nicht draufzahlen wolle, habe sie ihm die Zeit verkürzt. Die Richterin glaubt dem Freier. Der Prozess wird eingestellt – gegen die Zahlung von 500 Euro, die die Prostituierte leisten muss.

          So unglaublich das klingt, es ist kein Einzelfall. Immer mehr Freier versuchen, Frauen in der Prostitution zu verklagen. Sie fühlen sich damit so dermaßen im Recht, dass sie sogar dann vor den Kadi gehen, wenn sie selber Ordnungswidrigkeiten begangen haben. Wie der Freier aus oben genanntem Fall, der Oralverkehr ohne Kondom einforderte: das ist ein Verstoß gegen die Kondompflicht. Freier verklagen Prostituierte, weil ihnen die Art des Verkehrs nicht gefiel und sie zu früh gekommen sind. Ein 14-Jähriger, der sich als wesentlich älter ausgegeben hatte, rief kürzlich die Polizei, weil er für 20 Euro nicht „genug“ bekommen habe. Das Traurige ist, dass Prostituierte noch froh sein können, wenn sie nur vor Gericht landen und wegen der von den Freiern empfundenen „Schlechtleistung“ nicht auch noch verprügelt, ausgeraubt und getötet werden. Woran liegt das? Weiterlesen: klick mich!

          Ist Prostitution in kleinen Wohnungsbordellen sicherer als in Megapuffs?

            Auch ich habe mich anfangs in Wohnungsbordellen prostituiert, und in der NZZ wird gerade beschrieben, dass sich in Zürich ein Streit um diese kleinen Wohnungsbordelle entzündet hat. Wohnungsbordelle sind ganz normale Wohnungen in Mietshäusern, nur, dass dort eben 2 oder mehr Frauen sich prostituieren. Es könnte die Wohnung neben euch sein.
            Die Frauenberatungsstelle FIZ in Zürich plädiert dafür, diese Wohnungsbordelle in Wohngegenden zuzulassen. Der Gemeinderat äusserte, „Prostituierte seien in sexgewerblichen Kleinstsalons besser vor Zwangsprostitution und Ausbeutung geschützt und könnten so in der Regel wirtschaftlich unabhängig und selbstverantwortlich arbeiten.“.

            Ist das so?

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            Was ist der Unterschied zwischen einem Prostitutionsverbot und einem Sexkaufverbot?

              In China sind sowohl Sexkauf ( = Freiertum) als auch Prostitutionsausübung illegal. Wie die ZEIT berichtet, hat das chinesische Parlament beschlossen, dass Freier und Prostituierte nun nicht mehr willkürlich festgenommen und festgehalten werden können. Von ersten Entlassungen aus Arbeitserziehungslagern wird berichtet. Allerdings bleibt beides, Ausübung und Nutzung der Prostitution, illegal, Gefängnis- und Geldstrafen bleiben weiterhin bestehen.
              Das ist ein schrecklicher Zustand, weil zwei Menschen, die unterschiedliches tun, gleich bestraft werden. Die eine Person versucht, alles, was sie hat, irgendwie zu Geld zu machen, um ihr Überleben zu sichern. Die andere Person nutzt ökonomische Machtmittel, um sich sexuellen Zugang zu verschaffen, der ihr sonst verwehrt bliebe.
              Das auf eine Stufe zu stellen ist unsäglich.
              Denn natürlich hat eine jede Person das Recht, mit ihrem Körper zu machen, was sie will und ihn notfalls dazu einzusetzen, ihr Überleben zu sichern. Das zu bestrafen, ist irre.
              Hingegen Freier zu bestrafen, die ja mit dem Körper ANDERER unter Ausübung von Druck und Macht machen, was sie wollen, erscheint richtig.
              Prostitutionsverbote sind furchtbar und führen zu gar nichts ausser dazu, dass prostituierte Frauen (Mädchen, Jungs) der Gewalt der Polizei ausgeliefert sind.
              Das ist der Unterschied zwischen einem Prostitutionsverbot und dem Nordischen Modell, dass nur den Sexkauf sanktioniert.
              In China werden Freier UND Prostituierte festgenommen und bestraft.
              In Schweden werden NUR die Freier zur Verantwortung gezogen, während man dort übereingekommen ist, dass bei der Prostitutionsausübung keine strafbare Handlung vorliegt. Statt Erziehungslagern für Prostituierte gibt es dort Ausstiegsangebote und Hilfe.
              Merke: Prostitutionsverbot doof, Sexkaufverbot prima.

              Link zum Artikel: klick mich.

              Wenn Prostitution ein Job wie jeder andere ist, werden sexuelle Dienstleistungen einklagbar

                Prostitution als „Job wie jeder andere“ – das bedeutet, Männer können Sex ganz legal einklagen. Vielleicht bald auch bei uns. Warum? Darum:

                Heute mal ein kurzer Ausflug in das Gebiet der Rechte von uns Prostituierten, was Honorare und „Vertragserfüllung“ angeht. Kann ein Freier diese „Dienstleistung“, also den Sex, einklagen? Vorsicht, es wird schlimm – denn genau dies könnte bald auch bei uns (wieder!) der Fall sein.

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