Interview mit Francine Sporenda für Revolution Feministe & Nordic Model Now

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translation: Inge Kleine & Francine Sporenda

 

das Interview ist auf französisch hier und auf englisch hier erschienen

 

Wie erklärst Du Dir, dass Deutschland – nach einem bekannten Zitat – das „Bordell Europas“ geworden ist? Was führte zu dieser Situation?

Meiner Meinung nach liegen die Gründe für die Tatsache, dass Deutschland Menschenhandelsumschlagplatz Nummer 1 in Europa ist, nicht nur in der EU-Osterweiterung, sondern sind auch in der Nachfrage zu suchen. Wir haben in Deutschland eine sehr große Nachfrage, bei uns gehen täglich 1,2 Millionen Männer ins Bordell. Dazu kommt die Gesetzgebung. 2002 wurde die Förderung der Prostitution legalisiert, damit ist es jetzt nicht mehr gesetzwidrig, Zuhälter oder Bordellbetreiber zu sein. Zuhälterei ist auch nur noch gesetzeswidrig, wenn sie „ausbeuterisch“ ist, das heisst, wenn der Prostituierten über 50% abgenommen werden. Das gilt allerdings nicht für Zimmermieten, diese sind sehr hoch, 100 bis 180 Euro pro Tag sind keine Seltenheit. Während die Konservativen und Rechten Prostitution oft so ablehnen, dass sie weiterhin heimlich Recht der Männer bleiben soll, die Frauen aber verachtet werden, präsentieren uns Linke und Grüne eine Art Mogelpackung: Prostitution wird als Arbeit verklärt, manchmal sogar als feministisch oder empowernd. Statt Frauen Alternativen oder Ausstiegshilfen anzubieten wird jetzt nur noch versucht, es ihnen in der Prostitution so kuschelig wie möglich zu machen. Dass 89% aller Frauen raus wollen, aber nicht können, wird dabei völlig übersehen.

 

Kannst Du uns etwas über das kürzlich verabschiedete Prostituiertenschutzgesetz erzählen? Was beinhaltet es? Was sind die negativen und die positiven Folgen für prostituierte Frauen?

Im diesen Sommer in Kraft getretenen Prostituiertenschutzgesetz werden Regelungen für Betreiber und Prostituierte festgelegt. Betreiber brauchen jetzt eine Erlaubnispflicht, verurteilte Menschenhändler dürfen keine Bordelle mehr betreiben. Prostituierte müssen sich jetzt anmelden, sie müssen auch zu einer Gesundheitsberatung gehen. Außerdem gibt es eine Kondompflicht für Freier, das ist das einzig Gute an dem Gesetz. Wenn Freier auf Verkehr mit Kondom bestehen, müssen sie hohe Bußgelder zahlen. Ansonsten versucht die Politik mit diesem Gesetz nur, die schlimmsten Auswüchse der Prostitution hier in Deutschland glattzubügeln, zum Beispiel Flatrate, Gangbang, das ist jetzt verboten. An der Situation selbst ändert sich aber nichts. Es gibt weiterhin bis auf die Kondompflicht keine Regelung, die die Freier in die Verantwortung nimmt, es gibt weiterhin viel zu wenig Ausstiegshilfen, es gibt weiterhin keine Hilfe bei der Suche nach Alternativen zur Prostitution für die Frauen. Nicht mal ein Mindestalter von 21 Jahren wurde festgelegt, es wurde behauptet, dies käme einem „Berufsverbot“ gleich. Damit können hier weiterhin blutjunge Mädchen aus den Armenhäusern Europas in Deutschland ausgebeutet werden. Zwangsprostitution ist schwer nachzuweisen, auch wenn die Polizei schätzt, dass 9 von 10 Frauen einen Hintermann haben. „Interview mit Francine Sporenda für Revolution Feministe & Nordic Model Now“ weiterlesen

Eine Bordellführung zur Frankfurter Bahnhofsviertelnacht – Was sich die Stadt Frankfurt so unter „Aufklärung über Prostitution“ vorstellt

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dieser Artikel erschien zuerst in der Kritischen Perspektive und auf treffpunkteuropa

 

Schon beim nachmittäglichen Rundgang durch das Frankfurter Bahnhofsviertel, in dem sich ein Puff an den anderen reiht, habe ich das merkwürdige Gefühl, als Zuschauerin hier fehl am Platze zu sein. Wenn ich an den Laufhäusern hochsehe (Verrichtungszimmerfenster an Verrichtungszimmerfenster an Verrichtungszimmerfenster…) habe ich das untrügliche Bedürfnis, lieber „auf Zimmer“ gehen zu wollen: da wüsste ich wenigstens, wie ich mich zu verhalten hätte, da kenne ich die Abläufe, das Programm, das, was ich zu sagen habe, aber so, als Beobachterin im Rotlichtmilieu? Ein schräger Gedanke. Hier zu sein ist wie zu einem Ex zurückzukehren, der einen schlägt: es ist wie nach Hause kommen, alles ist vertraut, aber es fühlt sich gleichzeitig völlig falsch an. Und so ist es dann auch, als ich bei der von Dona Carmen e.V. organisierten Bordellführung mitgehe und in der Taunusstraße 26 in einem Zimmer des Laufhauses stehe: die Erinnerung an meine Zeit in der Prostitution haut mir heftig um die Ohren.

Die kleinen Zimmer.

Die farbigen Wände.

Das schummrige Licht.

Die abgeklebten Fenster.

Es ist eng. Es ist heiß. Es ist ganz schön trostlos.

(Und ich weiß genau, wie schäbig es hier aussehen würde, würde mal jemand das Licht voll anmachen.)

Einatmen. Ausatmen. Heute bin ich als Zuschauerin hier. Vor allem: als Zuhörerin.

Mit mehreren Frauen stehe ich hier im Verrichtungszimmer, es wird eng. Die Leiterin der Bordellführung, Juanita Henning, stellt uns (uns? Ich frage mich gerade, könnte man mich mit einer der bürgerlichen Frauen die an der Führung teilnehmen verwechseln?) die Frau vor, die uns einige Fragen beantworten wird. Weil ich nicht weiß, ob es ihr richtiger oder ihr „Arbeitsname“ ist, nenne ich ihn hier nicht, sondern kürze ab, und sie heisst jetzt hier „D.“

D. steht am einzigen Fenster des Zimmers, das sie ein bisschen geöffnet hat. (Gott sei Dank. Wenn ich jetzt noch diese Puffmischung – Zigarettenrauch, Schweiß, Sperma, Gummi – hätte riechen müssen, ich wäre glaub ich ausgetickt.) Sie sieht müde und abgekämpft aus, das sieht man trotz des Lichtmangels im Raum. D. scheint über 45 zu sein, sie hat legere Kleidung an und ein Basecap auf, vielleicht hat sie dann Feierabend? „Über Prostitution reden von Frauen für Frauen“ wurde uns hier versprochen, und während wir das tun, läuft eine Mitarbeiterin von Doña Carmen nochmal los und holt das Geld, das Doña Carmen dafür zahlt, dass D. uns heute und hier Rede und Antwort stehen wird.

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In eigener Sache

    In eigener Sache

    Liebe Leserinnen und Leser. Ich stelle immer wieder fest, dass Anfragen
    für den von mir mit gegründeten Verein Sisters e.V. bei mir landen, und
    Anfragen an mich dort.

    Ich habe den Verein vor über einem Jahr mitbegründet, weil es mir sehr
    wichtig war, dass tatsächliche Ausstiegshilfen geschaffen werden und
    Frauen, die aussteigen möchten, nicht die gleichen Erfahrungen machen
    müssen wie ich, die ich bei Beratungsstellen keine Unterstützung
    erhalten habe.

    Mein politischer Schwerpunkt ist heute (nach erfolgreichem Anstoßen von
    Sisters e.V.) wieder ein anderer. Das bitte ich bei Anfragen zu
    berücksichtigen.

    Also: wenn ihr mit Sisters reden wollt, richtet eure Anfrage bitte an den Sisters e.V.

    Wenn ihr mit mir reden wollt, richtet eure Anfrage bitte an mich: huschke.mau@web.de

     

    Herzlichen Dank und einen schönen Sommer,

     

    Huschke

    Gegen Prostitution oder gegen die Prostituierten? Prostitutionsgegnerschaft oder Abolitionismus?

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    Hallo.

    Ich möchte heute mal was in eigener Sache sagen.

    Die letzten Tage waren für mich, gelinde gesagt, nicht schön.  Ich hab auch jetzt seit 3 Nächten nicht geschlafen und viel geheult.

    In den letzten Tagen sind merkwürdige Diskussionen zustandengekommen und  so komische Sprüche gefallen. Sowas wie:

    • Prostituierte wissen nicht, was gut für sie ist, „normal denkende Menschen“ wissen das
    • Prostituierte wissen nicht, was gut für sie ist, „psychisch gesunde Menschen“ können es ihnen sagen
    • Prostituierte haben ihre „Würde“ nicht genug verteidigt, anstatt, wie „normale Leute“ auch, einfach anständig arm zu sein (und heroisch zu verhungern)
    • Prostituierte prostituieren sich nicht, weil sie in einer ökonomischen, seelischen oder sonstigen Notlage sind, sondern weil sie einen „Hang zur Prostitution“ haben

    Das kam von Frauen, die sich „Verbündete“ nennen. Einige dieser Frauen sehen es auch als legitim an, prostituierte Frauen, die zur Pro-Prostitutionslobby gehören, als „Nutten“ zu bezeichnen und merken dabei nicht, dass, wenn sie eine Frau für ihre Prostitution beschämen, sie ALLE Prostituierte für die Prostitution beschämen und dass es einen Unterschied macht, ob ich jemanden wegen seiner Gedanken ablehne, weil ich diese für falsch halte, oder für seine Prostitution.

    Einige Frauen haben sich in Diskussionen mit Frauen von der Lobby verwickeln lassen. Aber anstatt über das Konzept Prostitution zu diskutieren, haben sie prostituierte Frauen beschämt, sie für das Elend anderer Frauen verantwortlich gemacht und sich in anmaßender Weise zu Vertreterinnen von Zwangs- und Armutsprostituierten aufgeschwungen, ohne zu sehen, dass sie gerade selber Armutsprostituierte vor sich haben. Nein, nicht alles, was von der Lobby kommt, ist Müll, nur weil es von der Lobby kommt. Ja, wenn prostituierte Frauen erzählen, warum sie eingestiegen sind, sollten wir zuhören. Ja, wenn diese Frauen uns erzählen, was sie am Ausstieg hindert, sollten wir ganz Ohr sein. Nein, einer Prostituierten und Betreiberin wie Felicitas Schirow den Ausstieg via HartzIV nicht zu gönnen, ist nicht okay. Nein, sie ist nicht schuld daran, dass sie, wie sie angibt, sich jetzt prostituieren muss, ohne es zu wollen, weil ihr Leistungen des ALG2 verweigert werden.

    „Gegen Prostitution oder gegen die Prostituierten? Prostitutionsgegnerschaft oder Abolitionismus?“ weiterlesen

    Abolitionismus: Immer gegen das System der Prostitution, niemals gegen die Prostituierten!

      Dieser Beitrag erschien zuerst bei den Störenfriedas.

       

      Ein Beitrag von Carolin Werner, Huschke Mau und Manuela Schon

      Gestern erschien ein kurzer Text von Felicitas Schirow, in welchem sie beschrieb, „mal mehr und mal weniger gerne als Prostituierte gearbeitet“ zu haben. Seit 10 Jahren sei sie dieser Tätigkeit nicht mehr nachgegangen, sehe sich jetzt aber wegen großer finanzieller Probleme und Problemen mit den Behörden nicht mehr anders in der Lage, als diese wieder aufzunehmen. Sie habe seit 2015 keine Einnahmen mehr und warte seit einem Jahr (!) auf beantragte Leistungen aus „Hartz IV“. Das Jobcenter unterstelle ihr Einnahmen, die sie nicht habe, prüfe ewig und lehne alles ab. Deswegen sehe sie sich nun gezwungen, wieder als Escort zu arbeiten, da sie sonst immer mehr Schulden mache, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie schreibt: „Hilfe, ich bin eine Zwangsprostituierte (…) der Staat zwingt mich in die Prostitution.“ und relativiert später, sie mache diesen Job gerne, möchte aber selber entscheiden, wann und ob.

      Es gibt als Feministin und Abolitionistin sehr viele Gründe Felicitas Schirow, geborene Weigmann, nicht zu mögen. Sie ist…

      … eine Frau, die Jahrzehnte an der Prostitution anderer verdient hat.

      … eine Frau, die seit vielen Jahren Lobbyismus für die Sexindustrie betreibt und aktuell eine Verfassungsklage von Bordellbetreibenden, Freiern und prostituierten Personen gegen das neue „Prostituiertenschutzgesetz“ als Sprecherin vertritt, damit die liberalen und ausbeuterischen Prostitutionsmärkte in Deutschland so wie bisher erhalten bleiben.

      … eine Frau, die Prostitution als „Grundbedürfnis des Mannes“ und als „Menschenrecht“ definiert.

      … eine Frau, die gerne auch mal AfD-Posts auf ihrer Seite teilt, freudestrahlend mit AfD-Gründer Bernd Lucke im Titelbild posiert und seit einiger Zeit für dessen marktradikale AfD-Folgepartei ALFA/LkR die Werbetrommel rührt und selbst auf Listen dieser Partei kandidierte.

      Felicitas Schirow ist eine Frau, die man als „Handmaiden of Patriarchy“ bezeichnen kann. Mit diesem Begriff sollte man nicht inflationär um sich schmeißen, bei ihr ist er jedoch passend.

      Ja, sie ist eine Täterin: Ihr Wirken hatte und hat negativen Einfluss auf das Leben vieler Frauen, die Prostitution nicht als „Beruf wie jeden anderen“ ansehen, und die zu den 9 von 10 Frauen in der Prostitution gehören, die lieber gestern als heute aussteigen würden.

      „Abolitionismus: Immer gegen das System der Prostitution, niemals gegen die Prostituierten!“ weiterlesen

      Willkommen in Katzachstan – Eine Liebeserklärung an mein Katerchen

         

        Liebstes Katerchen! Heute hast Du Geburtstag. Und weil Du schon alles hast, dachte ich mir, ich schreibe Dir einen Text. Aber sicherheitshalber gibt’s danach natürlich noch ein Extraschmus mit vielen leckeren Nommies.

        Vor 13 Jahren bist Du zu mir gekommen, zu einer Zeit, als es mir wahnsinnig dreckig ging. Ich war mit 17 von Zuhause weggelaufen, durch das soziale Netz gefallen und im Bordell gelandet. Ich nahm Drogen, um das durchzustehen, ich hab sehr doll getrunken. Ich hatte kein richtiges Zuhause, weil ich gerade frisch von dem Mann, der mich in die Prostitution eingeführt hatte, getrennt war und nun nach einer Zeit in Hotels bei einem merkwürdigen Freund der Puffmutter wohnte. Ich hatte keine sozialen Kontakte außerhalb des Puffs, zu meinen Eltern seit ich wegelaufen war eh nicht mehr. Ich war eine von den Prostituierten, bei denen nicht mal auffällt, wenn sie verschwinden. Weil keine(r) nachfragt oder überhaupt bemerkt, dass sie verschwunden sind. Ich war die wandelnde Selbstverletzung und so suizidal, dass ich mich nicht mal mehr umbringen konnte, weil ich dazu keine Kraft mehr hatte. Ich hab einfach gewartet, dass mich eines Tages mal eine Überdosis erwischt, ein Auto überfährt oder ein Freier „wegschafft“.

        Und dann kamst Du. In dem Puff, in dem ich gerade war, gab es eine Bordellchefin. Deren Sohn hatte einen Klassenkameraden, und dessen Katze hatte gerade Junge. Die galt es zu verteilen, also brachte der Sohn der Puffmutter eine Miezi mit heim: Dich. Aber die Puffmutter wollte Dich nicht, sie hatte Angst um ihr teures Ledersofa. Also schleppte sie Dich mit in den Puff und hielt Dich mir vor die Nase mit der Frage: „Willste den haben?“ Und ich hab Dich gesehen, kleines oranges Fellknäuel das Du warst, mit Deinen damals noch klatschblauen Glubschguggln, und ich wusste sofort, wie Du heisst und auch, dass Du zu mir gehörst. Gar keine Frage. (Und ich hab sofort geflennt, so gerührt war ich über Dich.) So haben wir uns das erste Mal gesehen. „Willkommen in Katzachstan – Eine Liebeserklärung an mein Katerchen“ weiterlesen

        Warum ist der Ausstieg aus der Prostitution so schwer?

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        Ab und zu werde ich gefragt, was denn den Ausstieg aus der Prostitution so schwer mache. Ich habe mehrere Jahre für den Ausstieg gebraucht, bin immer wieder zurück in die Prostitution – und es geht nicht nur mir so. Was den Ausstieg so schwer macht, ist die Komplexität der Problemlage. Als ich damals zu einer Beratungsstelle für Prostituierte ging um um Hilfe für den Ausstieg zu bitten, sagte man mir: „Wenn Sie das nicht mehr machen wollen, dann gehen Sie doch einfach nicht mehr ins Bordell!“ Aber so einfach ist es eben nicht.

        „Warum ist der Ausstieg aus der Prostitution so schwer?“ weiterlesen

        Zum „Sexarbeits“-Positionspapier von Feminismus im Pott

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        Feminismus im Pott haben ein Positionspapier zu „Sexarbeit“ herausgegeben, zu dem ich gerne was sagen würde:

        Late to the show, aber ich möchte als Betroffene auch gern meinen Senf dazugeben. Zunächst mal, schön dass ihr euch mit dem Thema auseinandersetzt und bei einer Sache gebe ich euch Recht, Stigmatisierung ist scheisse. Sie ist aber, das muss auch klar gesagt werden, nicht unser größtes Problem: das ist nämlich das, was die Freier uns (an-)tun. Ihr unterliegt hier halt einem groben Logikfehler, wenn ihr meint, Prostituierten zu helfen, indem ihr ein schöneres Wort findet für das was sie tun (müssen). Eine Userin hier hat sich die Mühe gemacht, einen Freierforenbericht zu posten, der berichtet über das, was im Freudenhaus Hase passiert, mit dem ihr euch verbündet habt um gegen Stigmatisierung von Prostituierten vorzugehen.

        In diesem Bericht wurde ganz klar ein „hatefuck“, eine Vergewaltigung, beschrieben. Sowas wird von euch einfach als „Schockposting“, mit dem ihr euch ja nicht auseinandersetzen müsst, beiseitegewischt. Warum eigentlich? Das ist genau das, was in der Prostitution geschieht. Ganz knallhart gesagt, die Prostituierte wird das nicht mal anzeigen können, schließlich war ja Sex gegen Geld ausgemacht, und dann ist er halt ein bisschen gröber ausgefallen als ausgemacht, was solls? So werden Polizei und Behörden darauf reagieren. Warum? Weil sie Prostitution an sich nicht als Gewalt definieren. Die meisten Prostituierten tun das aber. Die Mehrheit der Prostituierten leidet an Traumafolgestörungen. Das negiert ihr halt, indem ihr Prostitution „Sexarbeit“ nennt. Was da gepostet wurde, war kein Einzelfall, das ist ganz normaler Alltag für uns Prostituierte. Wie könnt ihr gleichzeitig sagen, ihr solidarisiert euch mit uns und andererseits wollt ihr euch nicht anschauen, was Prostitution eigentlich ist? Lest doch mal in den Freierforen nach, was „Sex gegen Geld“ wirklich bedeutet. Und fragt euch dann mal, ob „bezahlter Missbrauch“ nicht eine viel bessere Bezeichnung wäre.

        Nach eurer Definition von Sexarbeit – ihr wart ja noch so nett Prostitution aus finanzieller Not bzw. wegen Drogenabhängigkeit als Grauzone zu bezeichnen – gibt es in Deutschland vielleicht so hundert Sexarbeiterinnen. Alle eigenständig, selbstbestimmt, kommen mit ihrem Job klar. Aber was ist mit uns anderen Prostituierten? Wir sind mehrere hunderttausend allein in Deutschland. Ernsthaft, was ist mit uns? Solidarisiert ihr euch mit uns nicht? Gefällt euch nicht, was wir aus der Prostitution berichten? Ist euch das zu sehr „Schockbild“? Für uns ist es Alltag oder Alltag gewesen.
        Gegen das Stigma kann ohne die Abschaffung der Prostitution nicht vorgegangen werden. Prostitution und auch die Freier brauchen das Stigma der betroffenen Frauen, um sie herabzusetzen, zu verstecken, ihnen Gewalt anzutun. Prinzip Heilige und Hure. Es gibt keine Prostitution ohne Stigmatisierung.
        Es fehlt bei eurer Position halt leider auch der komplette gesellschaftliche Zusammenhang. Damit, dass ihr sagt „Prostitution ist unter den momentanen Herrschaftsverhältnissen halt gegendert, wie alles andere auch“ ist es nicht getan. In anderen Herrschaftsverhältnissen gäbe es nämlich keine Prostitution. Da wäre es nämlich verpönt, dass Sex als „Dienstleistung am Mann“ definiert ist, da wäre es verpönt, dass Männer sagen können, sie haben ein Anrecht auf Sex, da wäre es verpönt, ein Mindset zu haben, nach dem Frauen zur Benutzung gekauft werden und in dem nicht hinterfragt oder hingenommen wird, dass dies eben oft gegen den Willen der Frau geschieht. Was ist denn Freierdenke? Freierdenke ist, wenn ich sage, ich hab bezahlt, sie hat ja gesagt, damit kann mir egal sein, ob sie das freiwillig macht oder nicht, ob sie es mag oder nicht. Freierdenke ist, wenn ich sage, ich habe Lust auf Sex, ich kaufe mir jetzt jemanden, der mitmacht, dann lebe ich meinen Sex aus wie ich auf einem Schachbrett halt ein bisschen Schach spiele und meine Figuren tanzen lasse. Ist das eine Denke, deren weitere Verbreitung wir fördern wollen? Ich finde nicht.
        Außerdem fehlt in eurem Positionspapier komplett die Analyse der Wirkungsstrukturen von Prostitution. Es wird nie genug Frauen geben, die das freiwillig machen. Der größere Teil wird immer gezwungen werden müssen. Wenn ihr sagt, Prostitution soll als Sexarbeit anerkannt werden, führt das zu einer Denke, in der es gesellschaftlich akzeptiert ist, sich, wie ihr es nennen würdet „Sex-Dienste“ zu kaufen (nur dass bei den „Sex-Diensten“ halt irgendwo eine Frau dranhängt, die diese ganze Chose irgendwie von sich abspalten muss). Damit steigt die Nachfrage. Wie oft haben Freier zu mir gesagt „ich mach das halt, ist ja nicht verboten“? Wieviele Freier würden NICHT zu Prostituierten gehen, wenn es verboten wäre?
        Es ist schön, dass ihr hier immer wieder einige Beispiele von happy sexwörkern zeigt. Aber was ist mit dem Heer an Frauen, die unsichtbar hinter ihnen stehen? Die ausbaden müssen, was die gesellschaftlich anerkannte Aktivität des Freiertums angerichtet hat? Es gibt wahnsinnig viele Freier in Deutschland. 1,2 Millionen Männer gehen hier pro Tag zu Prostituierten. Und es werden immer mehr. Sollen die alle zu euren hundert häppy sexwörkern gehen? Schön wärs, aber wenn die Nachfrage steigt, steigt eben auch das Angebot. Freiwillig oder nicht.
        Mit „Sexarbeit ist Arbeit“-Denke steigert man: Nachfrage, Angebot und damit auch Zwangsprostitution und Menschenhandel. Das kann nicht das sein, was ihr im Sinn habt.
        Auf die Vereine, mit denen ihr euch da abgeht, will ich gar nicht näher eingehen. BordellbetreiberInnen, Leute, die sagen es gäbe gar keinen Menschenhandel, Leute, die sich freuen wenn HartzIV-Sanktionen ausgebaut werden, weil dann mehr Frauen in die Prostitution einsteigen. Dazu, dass ihr Freier total ausblendet, sag ich jetzt mal auch nichts, das wollt ihr augenscheinlich nicht wissen, dass Freier Täter sind. Prostitution kann nicht von Sexismus, Klassismus und Rassismus befreit werden, weil es ein System ist, dass genau auf den benannten Strukturen aufbaut und sie braucht und reproduziert.
        Freier sind Täter. Und sie sorgen für die Nachfrage. Die Lösung ist, diese zu verringern. Indem man sagt, was Freier tun und sie dafür zur Verantwortung zieht. Mit der Freierbestrafung, das wissen wir aus Schweden, sinkt der Menschenhandel. Sinkt die Gewalt gegen Frauen nicht nur in der Prostitution.
        Das ist für mich das wichtigere Feld des Kampfes, und nicht, dass ich bitte möchte dass mein Missbrauch als Arbeit definiert wird.

         

        (c) Huschke Mau