„Die Gewalt findet mitten unter uns statt. Schaut hin!“

    Nachfolgend meine Rede, die bei Frauenkampftagsdemos in Berlin, München und Frankfurt verlesen wurde und die zuerst bei der Feministischen Partei (hier) erschienen ist.

    Die hier versammelten Frauenverbände zeigen, dass Frauen verschiedener politischer Herkunft in fast allen politischen und sozialen Bereichen einen Meinungskonsens erreichen können. Nur leider auf dem Gebiet der Prostitution nicht. Warum ist das so? Ich war 10 Jahre lang in der Prostitution tätig und kann nicht mehr zählen, wieviele Männer meine Körperöffnungen benutzt haben. Und ich kann das Märchen von der sauberen Prostitution, in der frau ihre freie Sexualität auslebt, nicht mehr hören. Die, die in den Talkshows sitzen und das erzählen, sind meist gar keine Prostituierten, sondern Bordellbesitzerinnen – Zuhälterinnen! Und gerade und ausgerechnet die Linke folgt einer kapitalistischen Argumentation, wenn sie das Selbst zum Körper, den Körper zu Sex und den Sex zur Dienstleistung erklärt und meint, Prostitution sei legitim und eben nur eine Zuspitzung dessen, was alle Lohnarbeiterinnen im Kapitalismus erleben, nämlich den Verkauf der Arbeitskraft.

    Ich möchte meine Sexualität nicht als Arbeitskraft sehen, wenigstens unser Intimstes soll uns doch gelassen werden! Aber ausgerechnet die Linke tritt für die Komplettverkapitalisierung von Frauen ein und entsolidarisiert sich damit von uns Prostituierten und Exprostituierten. Auch das beschönigende Gerede von der befreiten Sexualität kann ich nicht mehr hören, das Gequatsche von „Sexarbeit“ und „dem Recht, Sex zu verkaufen“. Was ist mit dem Recht sich nicht zu prostituieren und heil zu bleiben? Wenn ihr Bauchweh bekommt bei der Vorstellung, den Pimmel eines alten stinkenden Grabscheopas in den Mund zu nehmen bis er euch ins Gesicht spritzt, warum geht ihr dann davon aus dieser demütigende Akt sei für andere Frauen eine sexuelle Befreiung? Während in den Medien sog. „glückliche Sexarbeiterinnen“ vorgestellt werden, spülen sich anderswo blutjunge Rumäninnen die Scheide mit Desinfektionsmitteln aus, weil sie sich so vor den 10, 15 Männern ekeln, die sie täglich über sich drüber und in sich hineinlassen müssen.

    Wir dürfen nicht vergessen, dass Prostitution ein sexistisches System ist, denn 98 % aller Menschen in der Prostitution sind Frauen, und es sind MÄNNER, die diese Frauen kaufen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Prostitution ein rassistisches System ist, denn es sind westliche, „weiße“ Männer, die derzeit Frauen aus Südosteuropa und Osteuropa kaufen – 90 % aller prostituierten Frauen in Dtl. stammen daher. Wir dürfen nicht vergessen, dass Prostitution ein klassistisches System ist, denn es sind reiche Männer, die Frauen aus armen Ländern oder aus den unteren Schichten ficken und dafür bezahlen. Wozu bitte brauchen wir ein sexistisches, rassistisches, klassistisches System, ein urpatriarchales System, und wie konnte es passieren, dass uns das jetzt als die Befreiung der Frau verkauft wird? Prostitution schadet der Gesellschaft, sie verhindert wahre Gleichberechtigung, wenn ein Geschlecht das andere kaufen kann. Prostitution schadet uns Frauen in der Prostitution. 68 % von uns haben mit Posttraumatischen Belastungsstörungen in der Stärke derer die Folter überlebt haben zu kämpfen, Süchte, Ängste, Zwänge, Depressionen, Einsamkeit, Selbsthass kommen hinzu. 9 von 10 Frauen in der Prostitution würden sofort aussteigen, wenn sie es könnten, aber sie können nicht. Ich kann das Gerede von „selbstbestimmter Prostitution“ und von der „eigenen Entscheidung“ nicht mehr hören. Zu einer Entscheidung gehört eine Handlungsoption und mindestens eine Alternative, aber die Frauen, die ich kenne, haben keine andere Option gesehen als sich zu prostituieren. Was soll das bitte für eine freie, selbstbestimmte Entscheidung sein? Ich kenne keine Frau, die in die Prostitution eingestiegen wäre und zuvor keine sexualisierte Gewalt erfahren hätte – ob durch Kindesmissbrauch, Vergewaltigung…

    Wir brauchen keine Legalisierung und Entkriminalisierung der Prostitution. Es ist nicht das Stigma, das uns vergewaltigt, missbraucht, tötet. Es sind die Freier. Mit einer Legalisierung entlassen wir die, die uns das antun, aus der Verantwortung. Der prostitutive Akte an sich ist Gewalt, er ist eine Erniedrigung, er ist ein Wegbezahlen der Sexualität und der Persönlichkeit der prostituierten Frau. Eine Legalisierung der Prostitution legitimiert das und wäre ungefähr so paradox wie die Legalisierung häuslicher Gewalt mit der Begründung, die Frauen sollten sich jetzt endlich nicht mehr dafür schämen müssen.

    400.000 Prostituierte befinden sich momentan in Deutschland. Jeden Tag gehen 1,2 Millionen Männer zu ihnen – in Deutschland. Es gibt keine saubere Prostitution, um das zu wissen, genügt ein Blick in die Freierforen im Internet, genügt ein Blick darauf, wie diese Männer Prostituierte und den Akt an sich beschreiben, wie sie in gleichgültiger Grausamkeit den Missbrauch an uns ausüben oder sich sogar sadistisch an ihm aufgeilen.

    Ich möchte alle Frauen, die sich heute hier befinden, darum bitten, nicht mehr wegzusehen, sondern das uns von den Medien vorgesetzte Bild der „glücklichen, befreiten Sexarbeiterin“ zu hinterfragen. Bitte solidarisiert euch mit uns.

    Die Gewalt findet mitten unter uns statt – bitte schaut hin und hört uns zu.

     

    © Huschke Mau

     

    Brief an Ministerin Manuela Schwesig

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    Dieser Text ist zuerst auf Emma online (hier) erschienen.

     

    Sehr geehrte Frau Ministerin Schwesig,

    ich schreibe Ihnen heute, weil ich sehe, dass der gerade veröffentlichte Entwurf einer Prostitutionsgesetzreform deutlich die Handschrift der Bordelllobbyisten und Zuhälter trägt. Ich möchte Sie darum bitten, sich endlich mit der Realität im Rotlichtmilieu auseinanderzusetzen anstatt weiterhin Menschen zuzuhören, die das Märchen von der selbstbestimmten, glücklichen Hure erzählen.

    Ich bin eine Aussteigerin aus der Prostitution, in der ich zehn Jahre verbracht habe. Ich weiß also gut, wovon ich rede. Die Gründe für den Einstieg waren vielfältig: Eine schwierige Herkunftsfamilie, in der ich durch massive, auch sexuelle, Gewalt gegen meine Mutter und mich traumatisiert worden bin, hat dazu ebenso beigetragen wie das zur damaligen Zeit heftig verbreitete Märchen von der glücklichen Prostituierten. Auch finanzielle Not und die fehlende soziale und psychologische Hilfe haben eine Rolle gespielt.

    Ja, wenn Sie so wollen, bin ich „freiwillig“ eingestiegen. Ich bin eine von den viel zitierten „freiwilligen Prostituierten“. Aber was ist „freiwillig“, Frau Schwesig, wenn ein von Kindesmissbrauch traumatisierter Mensch diese Entscheidung trifft? Für mich war die Prostitution zunächst ein Aufstieg, denn ich hatte ja gelernt, dass ich, weil ich ein Mädchen bin, so oder so wehr- und rechtlos bin und sexuell missbraucht werde. Also konnte ich ja auch gleich Geld dafür nehmen und mir damit zumindest mein Überleben sichern.

    „Brief an Ministerin Manuela Schwesig“ weiterlesen

    „Ich habe die Schnauze voll von euch!“

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    Dieser Text ist zuerst bei der Feministischen Partei (hier), den Störenfriedas (hier) und der Emma (hier) veröffentlicht worden.

     

    Liebe Stephanie Klee,

    ich nehme Bezug auf das Interview, dass das Stadtmagazin Zitty Berlin mit Dir geführt hat und ich möchte mich zunächst bei Dir dafür bedanken, dass Du es gegeben hast. Denn hätte ich es nicht gelesen, würde ich immer noch schweigen.

    Zunächst mal: ich darf Dich doch duzen? Wo wir doch sozusagen Kolleginnen sind. Denn ja, auch ich kenne die Prostitution gut, ich habe zehn Jahre in ihr verbracht.

    Weisst Du, ich finde Deine Aussagen über die Prostitution ganz bemerkenswert. Mich wundert nur ein bisschen, dass Du vergessen hast einige – mir doch recht wichtig erscheinende Dinge – zu erwähnen.

    Zunächst einmal hast Du vergessen, die grundsätzliche Frage zu stellen, ob es der Prostitution überhaupt bedarf. Es ist schön, dass Du wenigstens nicht das alte, abgenudelte Pseudoargument verwendest, ohne Bordelle triebe es die Vergewaltigungsrate hoch (was ja bedeutet, Männer können ihre Triebe nicht kontrollieren und kämen sie nicht zum Stich, könnten sie ja nicht anders als zu vergewaltigen). Aber wozu braucht die Gesellschaft Prostitution, Stephanie? Wozu braucht es die Tatsache, dass Männer Frauen kaufen dürfen (denn die meisten Prostituierten sind weiblich, und die, die männlich sind, bedienen das Homosexuellenmilieu). Wie erklärst Du Dir denn diese Tatsache und was sagt sie für Dich aus? Anscheinend ist das für Dich kein Merkmal eines Machtverhältnisses. Und da ist er schon, der erste blinde Fleck auf Deiner Linse.

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